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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 6.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.7149#0048
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heiligen Thomas. Ein Theil derſelben ,,Invocatio'' findet ſich
in ſieben Abſchnitten zu den ſogenannten ,,Horae'' abgetheilt
in den beiden Münchener Handſchriften. Bereits im XIV. Jahr-
hundert erſcheint der Hymnus als ſelbſtſtändiges Ganzes, in wel-
cher Geſtalt er auch in der vaticaniſchen Handſchrift (1521- 1126)
auftritt und ,,ex codicibus D. Casimiri'' 1498 hervorging.
Derſelbe Hymnus endlich ward 1580 zu Lentchiça gefun-
den. Nehmen wir nun an, daß in die Hände Caſimir's ur-
ſprünglich nicht der abgeſonderte Hymnus, ſondern eine Ab-
ſchrift von wenigſtens der vier erſten Abſchnitte des ,,opus
Bernadi monachi'' gelangt ſei, ſo begreift es ſich leicht, wie
der päpſtliche Legat Ferrerius, freilich lediglich im Hinblicke
auf den erſten, aus 48 Hexametern beſtehenden Abſchnitt,
ſagen konnte: ,,Facta a se eametris egregia oratione
quam vidimus.'' Dann wäre es nicht nöthig mit den Bol-
ſandiſten die unbegreifliche Aenderung ,,hoptametris'' vorzu-
nehmen. Dabei bleibt natürlich der Jrrthum des Ferrerius
in Betreff des Verfaſſers ſo wie hinſichtlich des nicht ausſchließ-
lich hexametriſchen Versmaßes der Invocatio beſtehen.
Unbekannt ſcheint dem Verfaſſer die eigenthümlich periphras-
tiſche Dichtung geblieben zu ſein, welche an 30 Strophen des
Hymnus anſchließend den Schweizer ,, Ioannes Barzaeus Sur-
seensis, Collegiatae Ecclesiae Diui Leodegarii in Sehônen-
werdt Canonicus'' zum Verfaſſer hat. Der Hauptitel des zu
Luzern 1651 gedruckten Duodezbandes lautet: ,, Omni die dic
Mariae mea laudes anima. ymnus metrice redditus a
Ioanne Barzaeo canonico Claro Merdensi. Editio JJ.
auctior MDOLJ.'' Auf S. 15 heißt es: ,,Beati Casimiri
Poloniae Principis, confessoris Hymnus gloriosae deiparae
concinnatus. Versibus Germanico-Latinis a oanne Bar-
zaeo conscriptus.''
Allen Reſpect vor der ſehr gewandten, wenn auch nicht fehler-
loſen Verſification: aber nur eine tollgewordene Geſchmackloſigkeit
konnte ſich bis zu einem ſolchen Synkretismus heidniſcher und
chriſtlicher Anſchauungen verirren, wie er uns hier entgegentritt.
,,Visum est mihi,'' ſagt Barzäus S. 3 der,,Dedicatio'' an
den Propſt Joh. Aichmiller zu Solothurn, ,,choragum agente
et Apollinis vicem praecinente B. Casimiro, universas
Parnassi Deas, novenas scilicet Musas, suâ quamque Odâ
instructas, in scenam euocare.''

iſt die hl. Schrift für Erklärung der alten chriſtlichen Kunſt-
werke uebſt der goldenen Legende des Jacobus a Voragine,
was die Geſänge des Homer für das Verſtändniß der griechi-
ſchen Kunſtſchöpfungen find.
Von dieſem Grundſatze ausgehend, fand ich auch ohne
Schwierigkeit die Deutung der alten Wandbilder von Rebdorf.
Es iſt die Geſchichte des Propheten Daniel, wie ſie
uns im Buche Daniel ſelbſt erzählt wird. Es waren zwölf
Bilder, welche neben einander in Quadratform ausgeführt waren,
etwa in halber Lebensgröße. Davon ſind ſieben erhalten, von
andern einige Fragmente. Wir führen ſie der Ordnung nach
vor, wie ſie nach der Erzählung des heil. Buches ſich aneinan-
der reihen, während ſie jetzt natürlich ohne Ordnung durchein-
ander hängen. Jm neuen Prachtlokale werden ſie gewiß einſt
in dieſer hiſtoriſchen Folge prangen.
Zuerſt ſehen wir die hebräiſchen Knaben bei einem reichli-
chen Mahle in Babylon. Da der Aufſeher Malaſar naht, er-
heben ſich alle und bitten ihn, ſtatt der verunreinigenden Koſt
ihnen Gemüſe und Waſſer zu geben. Auf dem Spruchband
leſen wir die Worte: Dentur nobis legumina. .. Darauf
folgt der erſte Traum des Königs. Er liegt ſchlummernd mit
der Krone auf dem Haupte auf ſeinem Lager (Aufſchrift Nabucho-
donosor?). Vor ihm an einer Säule erſcheint eine koloſſale
Statue, nackt, mit gefalteten Händen. Es iſt der Koloß, der
aus Gold, Silber, Erz, Eiſen nnd Thon zuſamengeſetzt iſt.
Auf dem nächſten Bilde ſitzt der König auf ſeinem Throne,
Daniel ſteht mit andern Männern vor ihm in perſiſcher Ge-
wandung und gibt die Deutung des Traumes. Sofort ſieht
man vier Knaben im Feuerofen, der eine iſt Gottes Engel und
mit einem Kreuze bezeichnet, auch oberhalb ſchweben ſchützende
Engel. Die Männer, welche das Feuer ſchüren, werden von
den herausſchlagenden Flammen erfaßt und getödtet.
Jm nächſten Bilde deutet Daniel bereits als gebarteter
Mann dem Könige den zweiten Traum. Das Spruchband des
Königs ſagt: Dic somni interpretationem. Sofort ſehen wir
den Daniel ſelbſt auf ſeinem Lager liegen. Er ſchaut das Ge-
ſicht der vier großen Weltmonarchien unter dem Bilde der
wilden Thiere. Zwei der Thiere ſind erhalten, der ſchwarze
Löwe, auf welchem Auguſtus der Cäſar reitet, und der Bär
mit der Geſtalt des Perſerkönigs Darius. Nebenan iſt die
Deutung gegeben. Jn fünf runden Medaillons ſehen wir fünf
Bruſtbilder von Königen mit den theilweiſe erhaltenen Jnſchrif-
ten: Rex Babyloniorum. Rex Assyriorum. Rex Persarum
et Medorum. Rex Graecorum. Rex Romanorum.
Von den übrigen fünf Bildern ſind nur Fragmente erhal-
ten, ſo die Soldaten, wie ſie den Daniel ergreifen, um ihn in
die Löwengrube zu ſtärzen, die klagenden Frauen, welche ſtatt
des Propheten, ſofort hinabgeworfen werden, dann Bogenſchützen
und Henker, welche die Götzendiener und ihre Familien tödten.'*)
Jedenfalls gehören dieſe Gemälde zu den wichtigſten Ueber-
reſten der frühgothiſchen Malerei. Die Geſtalten ſind langge-
zogen, ſchlank und elegant, wie in den Handzeichnungen zum
Triſtan (in München), der Ausdruck des Schmerzes, Staunens
nnd des Schlafes iſt trefflich in Haltung und Bewegung wie-
dergegeben, die Gruppirung und Färbung mit großem Geſchick
ausgeführt, alle Bautheile tragen frühgothiſchen Charakter.
Der individuelle Ausdruck dagegen noch ſelten durchgedrungen.
Die Zeit der Entſtehung dürfte daher etwa 1300 een
(R. M. Z.)

JJJ. Die Wandgemälde aus dem Kloſter Rebdorf bei
Eichſtädt und ihre Deutung aus der heiligen Schrift.
Dieſe Wandgemälde, welche in den Reſten des Kreuzgangs
des Kloſters Rebdorf bei Eichſtätt unlängſt entdeckt worden ſind,
gehören zu den älteſten unter den erhaltenen Wandmalereien
des Mittelalters, und daher zu den intereſſanteſten und ſelten-
ſten Denkmälern der monumentalen Malerei. Maler Reichert
von München hat ſie mit großer Geſchicklichkeit abgelöst, und
nun bilden ſie eine Zierde des Nationalmuſeums in München.
Ueber ihren Jnhalt äußerte ſich ein Correſpondent der N. Mün-
chener Zeitung: Sie ſahen bisher den Beſucher wie unlesbare
Hieroglyphen an, dieſe geflügelten Ungethüme, dieſes koloſſale
Götzenbild, Alles ſchien faſt nur die Ausgeburt einer wildbe-
wegten Phantaſie. So oft auch die Eleganz, Zartheit und
Milde dieſer Geſtalten bewundert wurde, Niemand vermochte
ihnen Namen und Deutung zu geben. Der Grund lag wohl
darin, daß die Vertrautheit mit der heiligen Schrift unter den
Gebildeten eine ſtets ſeltenere Erſcheinung wird. Erdmann in
Halle hatte Recht, wenn er ſagte, es werde bald dahin kommen,
daß man eine Schriftſtelle anführen müſſe, wenn man etwas
Neues und Originelles in der Welt ſagen wollte. Und doch

*) Aehnlich war die Geſchichte des Daniel in den griechiſchen Klöſtern
gemalt. Vrgl. Didron: Handbuch der Malerei auf dem Berge Athos.
Ueberſ. S. 138.

Verantwortliche Redaction: Dr. Stephan Braun. — Druck und Verlag von J. Dilger in Freiburg.
 
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