Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 13.1874

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7191#0009
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Knnſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg
(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 142.

Domine dilexi decorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1874.

Berlin und ſeine Kunſtdenkmäler

Churfürſtenbrücke und das ihm nachgebildete Schillerdenkmal
von weißem Marmor vor dem großen Schauſpielhaus an
Kunſtwerth jenem weit nachſtehen. Wahre Kunſtwerke ſind
auch jene beiden großen Broncegruppen auf den Treppenwan-
gen zum Muſeum: der Kampf einer Amazone mit einem Tiger
von Kiſt, und der Kampf eines Reiters mit einem Löwen von
Wolff. Sie ſind draſtiſch und im höchſten Grad effectvoll.
Kunſiwerke ſollen auch ſein und zur Belebung kriegeriſchen
Geiſtes dienen jene berüchtigten Gruppen auf der Schloßbrücke.
Eine gewiſſe Schönheit und ideale Auffaſſung kann dieſen
Grupppen nicht abgeſprochen werden. Aber was hat den Künſtler
genöthigt oder berechtigt, ſeine Kämpfenden in vollſter Nacktheit
hinzuſtellen? Warum hat er jene nicht in ihrer kriegeriichen
Ausrüſtung hingeſtellt, was offenbar der Lage der Sache
bei weitem mehr entſprochen hätie, da Niemand nackt in den
Kampf zieht. Es muß als ein Scandal und öffentliches Aerger-
niß bezeichnet werden, auf dieſer frequenteſten Paſſage ſtets
dieſen Nuditäten begegnen zu müſſen, deren eine beſonders, wo
Victoria den Gefallenen zum Olymp trägt, wahrhaft unerträg-
lich iſt. Wie muß durch dieſen beſtändigen Anblick das ſitt-
liche Gefühl von Jung und Alt abgeſtumpft werden!
Jm Ganzen zählt Berlin 40 ſolcher öffentlicher Denkmäler,
von größerem oder geringerem, mitunter ſehr geringem Kunſt-
werth, alle aller einſtimmig den Ruhm Preußens verkündend,
in welchen auch der gute Schiller ſammt Hegel einſtimmen
müſſen. Daß das ,,dankbare Vaterland'' nicht ſchon längſt
auch dem Mann von Blut und Eiſen ſeinen Tribut in einem
Standbild erſtattet hat, muß Verwunderung erregen.
Unter den Berliner Kunſtſammlungen nimmt das König-
liche Muſeum den erſten Rang ein und durch ſeine unge-
wöhnliche Reichhaltigkeit, wie durch ſeine mitunter ganz vor-
treffliche Ordnung und Claſſification, die das Studium weſent-
lich erleichtert, nimmt dieſes Berliner Muſeum einen der erſten
Plätze unter allen Kunſtſammlungen Europa's ein. Wohl
mögen andere Muſeen durch Specialitäten gewiſſer Kunſtrich-
tungen ſich auszeichnen. So wird Rom ſelbſtverſtändlich durch
ſeine vaticaniſchen plaſtiſchen Kunſtwerke der elaſſiſchen Zeit,
Paris, Dresden und München durch ihre Gemäldeſammlungen

Berlin iſt die Haupt- und Reſidenzſtadt eines großen
Reiches. Wir dürfen alſo auch in künſtleriſcher Beziehung
etwas Gutes und Großes dort zu finden hoffen. Und in der
That, ich war überraſcht von der Fülle von Kunſtprodueten
und dem regen geiſtigen Leben, das mich hier umfing. Wandelt
man durch die Straßen, über die öffentlichen Plätze und in die
Parkanlagen vor den Thoren: überall begegnet man Kunſtdenk-
mälern, Statuen und Erinnerungsſäulen, die große Thaten und
große Männer im Gedächtniſſe des Volkes bewahren, ſo wie
es einer Hauptſtadt geziemt, in welcher aller Volksruhm ſich
concentrirt und ſich ſeinen Ausdruck verſchafft. Nicht nur die
Franzoſen verſtehen es, in Paris, in Verſailles toute la gloire
de la France Einheimiſchen und Fremden zu präſentiren:
auch Preußen hat dies in Berlin ſehr wohl verſtanden und
man wandelt dort unter den Linden wie unter dem Schatten
des Ruhmes des preußiſchen Volkes, bis man im Ruhmes-
wandel hinausgelangt iſt vor das Brandenburger Thor, hier
wo die coloſſale Siegesſäule, welche die letzten an Größe und
Ruhm ſtets wachſenden Siege über Dänemark, Oeſterreich und
Frankreich auch durch immer größere Kanonen verherrlichen ſoll,
indem man ſie, wie der Volksmund ſich ausdrückt, gleich Würſten
um einen Schornſtein herumgehängt hat. Und in der That
dieſen Eindruck eines mittelmäßigen Schornſteins, der aus
einem runden Keſſelbau aufſteigt, macht das Denkmal auf den
erſten Blick. Seine Dispoſitionen und Verhältniſſe ſind miß-
glückt. Die Säule ſteigt aus einer runden Säulenhalle zu
dünn und zu niedrig empor, und über dieſer verhältnißmäßig
zu kleinen Säule ſchwebt eine allzu große ſchwerfällige Victoria,
deren Gewand einen offenbar unſchönen Eindruck macht. Viel
proportionirter iſt die viel kleinere Siegesſäule auf dem Belle-
Allianceplatz, von Rauch entworfen.
Dennoch ſoll nicht geläugnet werden, daß die großen Haut-
reliefs der Säule vortrefflich gearbeitet, voll Wahrheit, Leben
und Bewegung ſind. Das ſchönſte Denkmal Berlins iſt un-
ſtreitig das große Reiterdenkmal Friedrichs des Großen, von
Ranch mit ſeltener Vollendung entworfen, in der That deſſen
größtes Werk, während das des großen Churfürſten auf der
 
Annotationen