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Ludwig XVII machen ließ und endlich ein großes von Ludwig XIV gestiftetes
Relief in gediegenem Silber, die Anbetung der Hirten darstellend.
Die Krone gotischer Bauten und die älteste Kirche dieses Stils im Weich-
bild von Paris ist die Hauptkirche Notre Dame. Sie ist das Wahrzeichen der
Stadt, das in dieser Eigenschaft von keinem andern Bauwesen je verdrängt werden
kann. Ihre Lage auf der größern der beiden Inseln, welche die in der Stadt
sich gabelnde Seine bildet, verleiht ihr etwas Isolierendes und darum Auszeich-
nendes und ersetzt den Mangel der Höhenlage, durch welche man sonst Kirchen
auszuzeichnen Pflegt. Ihre Front mit den stumpfen Türmen beherrscht eben dadurch
den Unterlauf der Seine. Vor der Kirche ist nach Wegräumung des alten Hotel
Dieu ein imposanter Platz geschaffen, von dem sie in ihrer vollen Höhe schlicht
und vornehm bis zum Kranz ihrer Türme emporsteigt. Zwischen ihrer südlichen
Langseite und dem Flusse zieht sich der breite bäumebepflanzte Quai und hinten
der Chor wird vom Geflüster grüner Wipfel umrauscht, die eine kleine Idylle
beschatten, einen Nasen mit Ruhebänken, den Spielplatz fröhlicher Kinderscharen.
Ihr Äußeres ist zu bekannt, als daß darüber Näheres gesagt werden müßte.
Mir stellt sie sich dar als ein Erstlingswerk des tief innigen jugendlichen
Geistes einer Zeitepoche mit neuen Idealen. Dies zeigt sich namentlich in den
Skulpturen, welche in überaus reicher Fülle vornehmlich an den Portalen an-
gebracht sind. Hier ist ein Leben, welches die Skulptur der früheren Zeit nicht
kannte, ein Sinn für freie Behandlung bei aller durch den Raum bedingten Ge-
bundenheit der Darstellung, ein auffallendes Verständnis für Körperformen. Wohl
hat die Barbarei der Revolutionsmänner vieles zerstört, aber aus dem, was noch
übrig blieb, ist das fehlende pietätvoll restauriert und wir gewinnen ein annähernd
treues Bild des ursprünglichen Zustands.
Das Mittelportal der Fassade mit der Gestalt Christi ans dem Mittelpfeiler
zeigt die cyklische Darstellung des jüngsten Gerichts, von den Seitenportalen das
eine das Leben der Jungfrau Maria, das andere das der hl. Anna. Fast ebenso
reich sind die Portale der Querschiffe. Nicht die geringsten Skulpturen sind auch
die kleinen, von edler Empfindung belebten, Bildwerke aus dem Leben Jesu, welche
in sogen. Vierpässen angeordnet an der Außenseite des Chors angebracht sind.
In wohlthuenden Maßverhältnissen gliedert sich das Innere. Auf schlichten
Nundpseilern ruht die Wand des Mittelschiffs, die Emporen der Seitenschiffe öffnen
sich in Arcaden, darüber die bemalten Fenster, mit magischem Dämmerlicht den
Raum überflutend. Fein auf Wirkung berechnet sind die Farben der Fenster-
bemalung, zuerst mit blassem Meergrün beginnend, dann beim Vorschreiten gegen
den Chor tiefer werdend bis zu den Seitenschiffen, welche der Schein des leuchtend
satten Blaus großer Rosen erfüllt, bis im Chor die höchste Steigerung farbigen
Glanzes mit dem Vorwiegen von rot und gelb eintritt.
An den Außenwänden der Chorstühle gegen den Chorumgang ist ein Cyklus
religiöser Darstellungen in feinen bemalten Holzskulpturen angebracht, in den Seiten-
kapellen finden sich zahlreiche Einzelgestalten historischer Personen, aber nirgends
drängt sich die Skulptur, den Eindruck des ganzen verwischend, auf. An einem
Pfeiler des Mittelschiffs ist das marmorne Standbild der hl. Jungfrau errichtet,
 
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