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69

umfaßt, die Hand zum Schlag ausgeholt, das Gesicht in äußerster Wut
verzerrt. So malt Burnand nach Luc. 11, 13 die bittende Frau mit tief
bekümmertem Ausdruck, vor dem aufgeschlagenen Gebetbuch in der echt
reformierten Gebetshaltung. So erscheint ihm der geizige Kornbauer in
kalter grausamer Selbstsucht vor seinen Geldsäcken sitzend, und wieder die
wachenden Knechte (Luc. 12, 37) in unbeugsamer Energie den Schlaf aus
den müden Augen treibend. So sieht er die beiden Söhne (Matth. 21, 28),
den Jasager in weichem, willigem Kindergesicht, voll lieblicher Schönheit,
hinter dem eine schwache Seele schläft, den Stolzkopf im Halbdunkel mit dem
Bronzegesicht, in dem die Kraft wohnt und die kämpfende Selbstbesinnung.
Und eines der gewaltigsten: „Mein Freund, wie bist du hereingekommen?«
Der König mit großem Gefolge steht voll majestätischen Erstaunens vor dem
Frechen, der weiter über sein Mahl sich beugt, als wäre nichts geschehen
und als ginge das alles ihn nichts an, während alle Gäste in seiner Um-
gebung in jähem Schrecken zusammenfahren.
Nicht als ob dem Maler die lichten Partien der Gleichnisse verschlossen
wären! Der „verlorene Sohn« ist in fünf Blättern geschildert — sie haben
mir freilich nicht soviel gesagt, obwohl der Meister mit besonderer Liebe das
Wiederfinden des Sohnes in des Vaters Armen gezeichnet hat. Er hat im
Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus das Sterben des Armen
als den Triumph eines selig Vollendeten zu schildern vermocht, wie in dem
Lied der „Stillen«: „Wie wird's sein, wenn wir ziehn in Salem ein!«
Er hat im verlorenen Groschen das Glück der jungen Hausfrau gezeichnet,
die sich weit aus der Pergola ihres Hauses beugt und alle Nachbarinnen
ruft, — aber die stärksten künstlerischen Wirkungen erreicht er da, wo es
sich um das heiße Mühen um die Seele handelt. Da ist durch Licht und
Schatten, durch die kraftvollen Gestalten, die herausgemeißelten Gesichtszüge
wirklich der harte Kampf des Ehristenlebens, das Unbedingte, die unaus-
weichliche Entscheidung, das „Entweder — Oder« der Predigt Jesu zum
vollendeten Ausdruck gekommen.
Die vielen tausend Bilder der beiden Abteilungen des Salons sind wie
ein bunter Traum an mir vorübergezogen.j jLangsam beginnen auch die
„Schlager« in meinem Gedächtnis zu verblassen. Aber die ,,?Lrnboie8«
stehen in frischer Lebendigkeit vor mir. Sie haben mir den ganzen Christus
geoffenbart. Diese Bilder sind die beste Predigt, die über die Gleichnisse
Jesu gehalten worden ist.
Es war eine Stunde im Heiligtum. Hesselbacher-Karlsruhe
2. Das Prachtwerkj
Auch ich habe „eine Stunde im Heiligtum« zubringen dürfen, an des
Meisters Seite, der selber seine Gastfreunde erst durch das Labyrinth des
„Salons« führte und dann in sein stilles Zelt — le Pabernacle IZurnunci
haben wir's genannt. Und noch einmal im Spätjahr in der Basler Kunst-
halle, kurz bevor die Mehrzahl der Bilder in die vier Winde ging. Es
 
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