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In dem Osterbilde aus Schnorrs Bilderbibel, das wir zuerst heraus-
greifen, tritt die persönliche Empfindung und Auffassung des Künstlers be-
scheiden hinter dem Gcmeinempfinden der Christenheit zurück. In der Ge-
stalt des in einer Lichtglorie mit der Siegesfahne dem Grabe entsteigenden
Erlösers, der mit ausgebreiteten Armen und erhobenem Haupte sich dem
göttlichen Lichte zuwendet, ist das religiöse Erlebnis Christi in würdig
feierlicher Form dargestellt. Es ist das kirchliche Dogma von der gottge-
wirkten Erhebung des Gottessohnes aus der Todesuacht in die ewige Herr-
lichkeit zur Rechten des Vaters, das uns der Künstler mit gläubiger Ehr-
furcht zur Anschauung bringt, und der Geist altkirchlichen Glaubens weht
uns aus dem Bilde entgegen.
Auch die Dürersche Auferstehung in der großen Holzschnittpassion trägt
diesen allgemeinen, kirchlich dogmatischen Charakter. Das Bild verrät wohl
dieHand, aber wenig von der Persönlichkeit des großen Meisters, dessen Kunst
uns sonst so tiefe Einblicke in sein Seelenleben gestattet. — Er hebt den
Vorgang noch mehr ins Transzendentale. Der Auferstandene ist schon in
die obere Welt ausgenommen, und steht, von Engeln umschwebt, auf einem
gekräuselten Wolkensaum, der diese Welt von der durch die stark realistische
Gruppe der Wächter charakterisierten gemeinen Wirklichkeit scheidet. Die
eine Hand hält die Fahne, die andere ist segnend erhoben, der Blick in die
Weite gerichtet. So steht er schon vor uns als das siegreiche Haupt der
Gemeinde.
Dürer und Schnorr öffnen uns eine Idealwelt, die ihrem unbefangenen
Glauben doch nur eine höhere Wirklichkeit ist, in der alles natürlich zugeht.
Dagegen kommt in Rembrandts Auferstehungsbild in der Münchener Pina-
kothek das Wunder zu seinem Recht. Die Lichtwelt tut sich auf, wie ein
Blitz fährt der Engel herab und reißt die Grabplatte in die Höhe, so daß
die Wächter übereinanderpurzelnd zu Boden stürzen. Diese naturalistische
Entgleisung ist der noch nicht ausgereiften Künstlerschaft des Meisters zu-
gute zu halten. Denken wir uns aber diese Gruppe weg, so fühlen wir,
daß ein Dichter zu uns redet, an dessen Hand wir in die geheimnisvolle
Welt des Wunders eintreten. Ein Wunder schauen wir, aber Rembrandt
versteht es, uns dies Wunder glaubhaft zu machen. In dem Gegensatz
zwischen der lichtumflossenen Engelserscheinung und dem Realismus der Christus-
gestalt, die sich mit noch traumhaft verschleiertem Gesichtsausdruck aus dem
Grabesdunkel aufrichtet, während die Hand mechanisch nach der Umrandung
faßt, haben wir jene wunderbare Mischung des Mystischen und Realistischen,
durch die es dem Künstler gelingt, das Göttliche, Ewige mit der Erdenwirk-
lichkeit zu vermählen und uns so das überweltlich Wunderbare als erlebte
Wirklichkeit erscheinen zu lassen. Seine Kunst führt uns in die Alltagswelt,
in der wir leben, aber durchleuchtet sie mit dem Lichte aus einer unsicht-
baren Welt.
Dagegen versetzt uns Grünewalds wunderbares Auferstehungsbild in
eine allem Wirklichen entrückte Phantasiewelt. Es wirkt als die Wiedergabe
 
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