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Erleben heraus schafft. Kann man aber noch von dem Berufsschriftsteller,
der jährlich sein Drama und seinen Roman um des lieben Brots willen auf
den Markt bringt, verlangen, daß er etwas dabei fühlt, macht er selbst noch
diesen Anspruch? Kann man das erwarten von den 120000 Kunstmalern,
die Europa mit soundso viel qm bemalter Leinwand jährlich versorgen,
die malen müssen, weil sie leben wollen und gut und luxuriös leben wollen?
Je größer die Ehre und der klingende Lohn, die dem erfolgreichen Künstler
winken, desto sicherer wird die echte Kunst ausgetrieben. Für den Kunst-
markt braucht man auch die Kunstkritik, d. h. „die Schätzung der Kunst nicht
von allen und hauptsächlich nicht von einfachen Menschen, sondern von
gelehrten, d. h. verdorbe¬
nen und zugleich dünkel¬
haften Menschen." Echte
Kunst braucht keine Erklärer.
Wenn sie wirkt, d. h. wenn
das Werk des Künstlers
die Zuschauer ergreift uud
zwingt, so ist es ein Erzeug¬
nis guter Kunst. Kann es
das nicht, so hat es seinen
Beruf verfehlt, so werden
keine Deutungen bewirken,
daß es diese Kraft bekommt.
Wenn man mit Worten er¬
klären könnte, was der
Künstler sagen wollte, so
hätte er es auch mit Worten
gesagt. „Die Kritiker sind
denn auch meistens Men¬
schen, die flott schreiben,
gebildet, klug sind, aber
mit vollständig geschwun¬
dener Fähigkeit, die Kunst
nachzuempfinden." Noch schlimmer sind die Kunstschulen, die nur lehren
können, die Technik und die Nachahmung für das Wesen der Kunst zu
nehmen. Sie erzeugen die Kunstheuchelei. „Wie es unmöglich ist, in der
Schule einen Menschen so zn unterrichten, daß er ein religiöser Lehrer der
Menschheit wird, ebenso ist es unmöglich, einen Menschen zum Künstler
anzulernen.
Das zweite hängt eng mit dem handwerksmäßigen Betrieb zusammen:
Die raffinierte Technik und das Spezialistentum. Je größer die Konkurrenz
auf dem Kunstmarkt, desto größer der Zwang, aufzufallen und die andern
auszustechen. Da kann man nicht warten, bis die Eingebung kommt, sondern
es muß etwas geliefert werden, was wenigstens neu aussieht, die blasierten



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Bihl K Woltz Friedhofkapelle^Waiblingen
 
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