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mehr mit ihrem natürlichen und eigentümlichen Glanze oder, wie inan sagt,
mehr mit ihrem innerlichen Glanze leuchtet als mit fremden Ornamenten
wirkt". Calvin rühmt den reinen, kunstvollen Stil Jesajas und es ist ihm
ein Trost, daß Jesus, nachdem er anfangs nur ungebildete Fischer um sich
gesammelt, später sich andere Diener gewählt hat, die feiner gebildet waren
und mehr Geschmack hatten. In Calvins Schriften schafft sich, wie bei
jedem guten Stile, der Stoff die Form. Seine französische Schreibweise hat
ja bekanntlich einen tiefgehenden Einfluß gehabt auf die Entwicklung der
französischen Sprache. Allerdings werden viele in seinen Schriften die
erquickenden, glitzernden Lichter des Humors vermissen, die Luther je und
je über seinem Redestrom aufleuchten läßt. Wird Calvin witzig, so wird
er leicht sarkastisch. Es fehlt bei ihm ferner oft das stürmische Vorwärts-
drängen, das Luthers Stil die hinreißende Kraft gibt. Der Genfer Refor-
mator nutzt mehr die scharfen Waffen seiner unerbittlichen Logik, um seiner
Aberzeugung zielsicheren Ausdruck zu geben. Nur wo das Evangelium
selbst auf dem Spiele steht, wird seine Rede feurig, pathetisch, packend. So
klingt z. B. durch seins Streitschrift gegen das Augsburger Interim eine
kampfesfrohe Begeisterung hindurch. „Welcher guter Christ", ruft er aus,
„möchte sich mit solcher Schminke die Augen malen lassen!" „Nein, bereit
sein zum Martyrium, das ist das ABC, das Christus seine Jünger ge-
lehrt; eine Schande wäre es, zu zweifeln und zu zögern, wo Gefahr im
Verzug ist. Will's Gott, so darf ich selbst meinen Glanben mit dem Tode
besiegeln." Das Wort gehorcht dem Humanisten Calvin; er handhabt das
Lateinische und Französische mit gleicher Meisterschaft, und zwar beide
Sprachen streng gesondert im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen, die sie
gern in einem greulichen Kauderwelsch durcheinander mischten.
Er bleibt zugleich auch der Aristokrat, der die Harmonie von Religion
und Bildung nicht aufgeben möchte, Für ihn, der von früher Jugend an in den
vornehmsten Kreisen verkehrt hatte, war es ein Bedürfnis, zu betonen, „daß
Christus mit den Strahlen des Sternes die Magier zu sich gerufen, so gut
wie die Hirten mit der Stimme des Engels". Wir verstehen, wie Calvin von
„Luthers ungezügeltem Ungestüm" reden konnte, so hoch er sonst Luther als
den „ersten Diener Christi, dem alle viel verdanken", schätzte. Es dürfte aber
auch auf der Hand liegen, daß der geistvolle Mann nicht der trockene kunst-
feindliche Banause war, als der er dargestellt zu werden pflegt. Seine
Stellung zu den einzelnen Künsten, wie wir sie zu skizzieren versuchten, läßt
uns ihn in anderem Lichte erscheinen. Seine Beurteilung der Kunst
im allgemeinen bestätigt dies Ergebnis.
Gewiß bestimmt sich Berechtigung und Wert der Kunst bei Calvin
stets danach, ob und inwieweit sie zur Ehre Gottes dient. Aber auch die
Kunst ist ein Gnadengeschenk Gottes und in den Künstlern ist der Geist
Gottes wirksam. Diese Anschauung spricht Calvin wiederholt aus. „Alle
Fertigkeiten, die dem Menschen zum Nutzen gereichen, sind Gottesgaben.
Der Ackerbau und die mechanischen Künste sind auf Gott als einzigen Nr-
 
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