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Heber und Lehrer zurückzuführen. Um so mehr muß das gelten von den
freien und edlen Künsten. In ihnen betrachten und erkennen wir Gottes
Güte, so daß in den kleinsten und größten Dingen sein Lob und Ruhm
gefeiert wird." Ja, er -geht noch weiter und sagt: „Die Erfahrung der
Jahrhunderte lehrt, daß unter den ungläubigen Geschlechtern stets Strahlen
göttlichen Lichtes geleuchtet haben und heute sehen wir, daß die ausge-
zeichneten Gaben des Geistes über das ganze Menschengeschlecht verbreitet
sind. Ja die freien Künste und Wissenschaften sind uns von profanen
Menschen zugeströmt." Wohl ist bei Benutzung solcher Stellen Vorsicht
geboten und der Ausdruck „freie Künste" nicht ohne weiteres auf die
Kunst im modernen Sinn zu beziehen. Die „freien Künste" waren bei
Calvin Medizin, Rechtswissenschaft, Astronomie, Geometrie, Dialektik. Aber
einen einheitlichen Sprachgebrauch hat er nicht. Einmal schließt er die
Architektur mit ein, dann wieder die Astrologie und Teile der Philosophie.
Zweifellos aber gilt das, was Calvin über die Wissenschaft sagt, auch von
der Kunst in unserm Sinn. Denn bei der Besprechung der Stelle 1 Mose 4, 21,
wo von Iubal die Rede ist, von dem die Geiger und Pfeifer abstammen,
hebt er ausdrücklich hervor, daß die Erfiudung der Künste „ein keineswegs
zu verachtendes Gottesgeschenk" war; ja, er findet es wunderbar, daß gerade
der Stamm Kains, der am meisten von seiner Unschuld verloren hat, mit
Gaben ausgezeichnet war, die außerordentlich und nicht verwerflich waren.
In den Tenor solcher Worte passen auch Calvins scharfe Äußerungen über
die bildungsfeindlichen Tendenzen der Wiedertäufer. Er fertigt sie zornig
ab, indem er sagt: „Die, welche die freien Künste und Lehren verschreien
unter dem Vorgeben, „das Wissen bläht auf, die Liebe aber erbaut", platzen
dermaßen von Hochmut, daß sie das alte Sprichwort wahr machen: „nichts
ist anmaßender als die Unwissenheit". Er ist seinerseits überzeugt, daß „die
gute Wissenschaft nicht im Gegensatz zur Gottesfurcht und zur Lehre steht,
die Gott uns gibt, um uns zum ewigen Leben zu führen".
Es fragt sich aber nun, wo in Calvins dogmatischer Gesamtanschau-
ung die Gedanken emporragen, welche das Aufblühen der Kunst
auf calvinischem Boden zwar nicht vollauf erklären, aber wenig-
stens verständlich machen. Verschiedene Ideenschichten sind es, die bei dieser
Untersuchung in Betracht kommen. Der Wirklichkeitssinn, der dem Calvinis-
mus eignet und der mit der festen Realität seiner Gottesvorstellung zu-
sammenhängt. Die hohe Wertung der Persönlichkeit, die den Erwählungs-
glauben zum Fundament hat. Die Gewißheit, daß Gottes Geist überall
auch außerhalb der Gemeinde der Erwählten wirkt. Die Aktivität, welche
die „reformierte Arbeitsaszese" ausgelöst hat und die indirekt der Kunst-
entwicklung zugute kam.
Calvins Gottesidee hat massive Realität. Gottes Herrscherwille ist
eine eherne Macht; er erwählt und verwirft nach seinem majestätischen Rat-
schluß. Die Bedenken, welche das Gefühl dieser harten Lehre entgegenhält,
schlägt Calvin nieder mit dem Hinweis auf Gottes unbegrenzte und uner-
 
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