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Werken der Kunst; eines nur fehlte ihnen, die intime, auf die innerstem
Quellen künstlerischen Schaffens horchende Teilnahme für die gottbegna-
deten Künstler selbst. Hätten sie diese besessen, so wäre weder Frans Hals,
noch Ruisdael, auch Rembrandt nicht in so traurigen Verhältnissen gestorben.
Während die puritanische Zwangsjacke, in die Calvin das Leben
einst in Genf gesteckt hatte, in den holländischen Kunstzentren bald abge-
worfen wurde, schloß sich in Frankreich, Schottland und Amerika der Cal-
vinismus noch lange gegen nichtreligiöse Lebensgebiete ab. Allerdings nicht
aus Liebhaberei oder Engherzigkeit, sondern aus Not. In Frankreich blieben
die Kirchenbauten des Protestantismus dürftig, schmuck- und
kunstlos. Jede Anlehnung an fremde Stile wurde vermieden, da sie als
katholisch galten. Der älteste, noch aus einer Abbildung bekannte Tempel
zu Lyon, genannt das „Paradies", war ein „einschiffiger, nach zwei Seiten
im Halbrund geschlossener und rings von einer schmalen Galerie umgebener
Raum, in dessen Längsachse - nahe der Außenwand — die Kanzel frei
aufgestellt war".* Als Salomo de Brosse, der Architekt des Luxemburg-
Palastes iu Paris, für die Protestanten an Stelle des von der Volkswut
zerstörten Tempels von Charenton eine Kirche bauen sollte, errichtete er
eine geräumige, schlichte Basilika. Bis in das neunzehnte Jahrhundert blieben
die Voraussetzungen für eine eigenartige Entwicklung des Kirchbaus un-
günstig; durften die französischen Protestanten früher nur an unauffälligen
Orten bauen, so wies man ihnen später zufällig freigewordene Räume
für ihre Gottesdienste zu; nach ihren architektonischen Wünschen aber fragte
man nicht. Erst in neuester Zeit (1884) hat Gaspard Andre für das Pro-
blem des calvinistischen Tempelbaus eine glückliche Lösung gefunden bei
der Errichtung der im romanischen Stil gehaltenen Kirche des Brotteaux
in Lyon. Je schlechter es jedoch mit dem Kirchbau in Frankreich bestellt war,
desto mehr verdient die Tatsache Erwähnung, daß die Hugenotten zahlreiche
bildende Künstler in ihren Reihen zählten. Von den zwölf Gründern der
königlichen Akademie der Malerei und Skulptur in Paris waren nach einer
Mitteilung des Gelehrten N. Weiß allein fünf Protestanten. Auch ver-
leugneten sie in ihren Werken ihre hugenottische Äberzeugung nicht.
Echte Volkskunst aber barg der Calvinismus ohnedies von Haus aus
in seinem Schoß. Die Hugenotten hatten ihre Psalmen, ihre vielbe-
wunderten und vielbeneideten Trost- und Schlachtgesänge, unter deren hehren
Klängen mancher calvinistische Märtyrer tapfer in den Tod ging. Hier
war die Kunst in den Dienst der Religion gezwungen.
Aber auch dort, wo die Kunst sich mehr und mehr emanzipierte, wie
in Holland, trat sie nicht in Widerspruch zu Calvins Grundgedanken. Waren
nach seiner eigenen Aussage in außerchristlichen Völkern vom Geiste Gottes
begabte Künstler zu findeu, so waltete dieser Gottesgeist in voller Freiheit;
eine Bevormundung des Künstlers war nicht nötig. In diesem Punkte
läßt allerdings der Calvinismus seine sonst so straffe Einheitlichkeit ver-

.Der Kirchenbau des Protestantismus." S. 473
 
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