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missen. Denn auf der einen Seite richtet er seine hohen Schranken zwischen
Erwählten und Verworfenen auf; aus der andren Seite verwischt er die
Grenzen zwischen göttlichem und rein weltlichem Sein, da er eine Sphäre,
wo Gottes Geist nicht wirkt, letztlich doch nicht anerkennen kann. Diese Wider-
sprüche wurden naturgemäß in Holland am tiefsten gefühlt. Es ist begreif-
lich, daß man hier zuerst mit Vermittlungsversuchen begann.
Die Grundlage aber fürdieEntfaltung der modernen
Kunst hatte Calvin mitgeschaffen. Seine Bedeutung für
die Kunst ist doch weitreichender als man gemeinhin an-
nimmt. Er selbst mußte sich für seine religiöse Mission opfern und viele
seiner Anhänger sind über dieser Konzentration auf die religiöse Aufgabe
zu keiner positiven Stellung zur Kunst gelangt. Aber auch da, wo Calvin
scheinbar negativ wirkte, hat er der Kunst gedient, indem er sie
inneue Bahnentrieb. Es war eine zur Gesundung führende Impfung,
die Calvin an den westlichen Völkern vollzog. Die Religion wurde
durch ihn von d e r K u n st ge t re n n t. B e i d e g e w a u u e n d a d u r ch
eine erhöhte Selbständigkeit. Die Religion wurde ent-
sinnlicht, die Kun st füllte sich mit konkretem Leben. Beide
aber konnten nun erst recht ihre höchste Aufgabe erfüllen
und der Ehre Gottes dienen.

IW. lio. Gustav Lasch-Straßburg

Das Reformationsdenkmal in Genf

Mit 3 Abbildungen

er Protestantismus der ganzen Welt, und die reformierten Kirchen


^-^im besonderen, werden im Laufe dieses Jahres das 400 jährige Jubi-
läum Calvins feiern. Unter den drei großen Typen der Reformation hat
der durch ihn geprägte, der Calvinismus, am meisten internationale Be-
deutung gewonnen. Während die von Luther ausgehende Bewegung sich
auf einige germanische Länder beschränkte und vor allem die deutsche
Reformation genannt werden kann, hat der Calvinismus in Ländern und
Völkern von ganz verschiedener Rasse und Stammesart Eingang gefunden;
er gewann Boden in Frankreich, er wirkte auf die evangelische Bewegung
in Italien, er eroberte Holland und Schottland und wurde von den eng-
lischen Independenten nach Amerika hinübergetragen; er schuf eine große
Kirche in Ungarn und hatte eine Zeitlang auch in Polen die besten Aus-
sichten; er hatte, wenigstens teilweise, Einfluß auf die vou Zwiugli ab-
hängigen deutsch-schweizerischen Kirchen. Ja, er fand sogar im Stamm-
land der lutherischen Reformation viele Anhänger, schlossen sich ihm doch
die hessischen und brandenburgischen Fürsten schon früh an. Calvin hat so
eine der größten geistigen Wirkungen hinterlassen, die die neuere Geschichte
 
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