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Gerade Thomas Lithographien zeigen die Kunst, in leicht archaisie-
rendem Stile modernen Gefühlsausdruck darzustellen und natürliche Be-
wegungen sestzuhalten zu großen Gebärden.
Aus diesem archaisierenden Stile heraus, mit seiner primitiven, klaren,
sachlichen Linie hätte vorab Thoma einen neuen Kirchenstil schaffen können,
der das durchaus subjektive, künstlerische und religiöse Erleben dieses Meisters
in ein zwangloses, und doch rituelles Gewand gekleidet hätte und das schon
vor einem Menschenalter.
Ein gutes Geschick — die geniale Fürsorge des verstorbenen Groß-
herzogs von Baden hat Meister Hans Thoma aber doch noch — sxtra
seolesiam — einen Monumentalzyklus schaffen lassen in jenem Karlsruher
Freskenzyklus, von dem unser Mitarbeiter lio. Kühner uns noch sagen
wird. Ich behalte mir vor, gerade auf die kirchenstilistische Seite dieses Zyklus
noch später einzugehen. Um aber die Behauptung, daß besonders Thomas
und Uhdes subjektive Malerei für besonderen Kirchenstil nicht tauge, auch
mit Tatsachen zu widerlegen, möchte ich noch auf folgendes Hinweisen.
Ich sagte, daß Thoma gerade in seinen kleinen, stilistisch sehr scharf gefaßten
Lithographien den Beweis erbrachte, daß er den Gesetzen eines monumentalen
Kirchenstils unter Wahrung seines subjektiven religiösen Erlebnisinhaltes
gewachsen war. Ein ähnliches Beispiel kann ich von Uhde anführen. Ich
glaube, sämtliche Kritiker Uhdes stehen ratlos da vor Uhdes Bild: „Und
sie warfen das Los um seinen Mantel". — Die äußerste Weisheit sagt:
Welch ein Schauspiel — Uhde, der Freilichter, hat sich zu Caravaggio ver-
irrt! — Nein. Uhde wollte einmal deutlich zeigen, daß ihm die Kompositions-
und Stilgesetze der Monumentalmalerei durchaus nicht fremd seien. Es war
also keine Abirrung, sondern eine Äberlegung. Wer Uhdes „Himmelfahrt"
gesehen hat im Original, wird erkennen, daß man die Gruppe der Jünger
und Frauen ohne jede stilistische Änderung auf eine Kirchenwand malen
könnte. Wer das Original der erschütternden „Grablegung" gesehen hat —
wie diese Männer und Frauen mit dem Leichnam — geradezu wie
Schatten an einer Wand vorüberziehen - in einem monumentalen Rhyth-
mus, den erst Hodler in die Malerei wieder eingeführt hat — der wird
verstehen, wenn ich sage: Man kann jeden Tag dieses große Ölbild in die
Altarwand einer protestantischen Kirche einlassen — vorausgesetzt, daß der
Altarraum für Licht und Breitformat gebaut ist. Oder man kann ohne
jede Änderung des Stiles oder der wunderbar gelösten Lichtprobleme diese
„Grablegung" als Fresko auf eine Kirchenwand setzen, soweit die Technik
des Freskos es erlaubt. Den Beweis, daß auch die moderne Maltechnik
in Fresko übersetzt werden kann, hat außerdem die Herterich-Schülerin
Linda Kögel in ihrem Schwabinger Freskobild erbracht und wird ihn
demnächst, wie wir ihr von Herzen wünschen, noch mehr in ihrem großen
Kirchenzyklus in Hannover erbringen.
Und noch ein Uhde-Bild: Seitdem ich das Uhde-Bild: „Lasset die
Kindlein zu mir kommen" als großen leuchtenden Vierfarbendruck (den
 
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