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In Mannheim ist eine Christuskirche im Bau, von der gesagt werden
muß, daß sie in der individuellen Lösung der Frage der achsialen Kanzel-
wand eine monumentale Größe und doch zugleich eine Leichtigkeit der
Form und Sttlbtldung ausweist, die ich auf dem Kirchenbautag in Dresden
wohl als Ziel darstellte für diese individuelle Grundrißlösung, die ich
aber bisher noch nicht so glücklich gelöst gesunden habe. Unsre Forde-
rung, daß jede moderne protestantische Kirche, die die Mittel dazu hat,
vom ersten Entwurf an auf die Harmonie von Architektur, Malerei und
Plastik — jedenfalls in der Kanzelwand (Chorbucht) angelegt sein soll, ist
hier vorbildlich erfüllt.
In der Verleihung der Würde eines Ehrendoktors der Theologie sehe
ich aber Ihr Votum nicht nur für Vergangenes und Gegenwärtiges, sondern
auch für Zukünftiges. Es fei mir gestattet von den Prinzipien noch ein
freies Wort zu reden, die in so ehrender Weise mein Doktordiplom er-
wähnt.
Die „Lrineipia vsras sinosrasgus artig reli^ioni aäaptanäas" werden erst
dann wohl in 8ULUIN st san^ninsm tlmoloKoruin — sowohl der Studierenden
als der Amtierenden — übergegangen sein, wenn wir in Deutschland einen
Lehrstuhl haben, dienstbar diesem anschwellenden Gebiet der kirchlichen
Volkskunst.
Daß dieser mein Gedanke nicht ins Reich des Unmöglichen gehört,
glaube ich aus manchen Anzeichen schließen zu dürfen. Die Eisenacher
Kirchenkonferenz hat die Abhaltung von Kursen für Kirchenbaukunst emp-
fohlen. Auf Synoden und Kongressen wird das Thema der neuprotestan-
tischen Kunst diskutiert. Alle diese Versuche enthalten den Keim zu der
Erkenntnis, daß die Probleme der religiösen Kunsterziehung sich zu einem
Spezialfach der praktischen Theologie im stillen ausgewachsen haben.
Wenn ich selbst bedenke, wie ich von jungen und älteren Geistlichen
aller dogmatischen Richtungen um Rat angegangen werde und wie oft
diese Beratung notleidet unter der mangelnden ästhetischen Vorbildung des
geistlichen Amtes — während die Aufgaben für Kirchenbau, Kirchenmalerei,
Wohlfahrtspflege, Denkmalpflege, Gemeinde- und Vereinshäuser, Schul-
häuser, Wanderausstellungen, Vorträge über Kunst und Literatur in unsrem
Amte immer mehr wachsen, —- s o drängt sich mir aus diesen Erfahrungen
heraus die Tatsache auf, daß unsre evangelische Kirche über kurz oder lang
sich einen Faktor moderner Kulturbeeinflussung entgehen läßt, wenn sie
dieses Gebiet nicht alsbald selbständig anbaut und ausbaut, auch durch
prinzipielle Darbietungen an die Studierenden der Theologie.
Die Universitäten haben so oft seit Luther die evangelische Kirche be-
fruchtet. Möge der mir gebotene Anlaß, an die Türen der Universitäten
für einen jungen Sohn unsrer Kirche zu klopfen, — einen Widerhall finden
bei den deutschen theologischen Fakultäten.
Dann wird die von der hohen theologischen Fakultät zu Heidelberg
mir verliehene Doktorwürde sich in den großen Zusammenhang der Weiter-
 
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