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Durch die an alt christliche Vorbilder angelehnten Formen,
durch großzügige und kräftig gehaltene Ornamente, durch einfache und be-
stimmte Farbengebung sowie die schönen Glasmalereien bekommt der Kultus-
raum etwas Ruhig-Feierliches.
Die sechs Glasgemälde in den Rundfenstern zur Rechten und
zur Linken stellen in Brustbildern dar: Luther, P. Gerhardt und
Wichern, Zwingli, I. Seb. Bach und Schleiermacher. Sie
sollen einerseits den Unionscharakter der badischen Landeskirche, in
der sich Luthertum und Zwinglianismus in Verfassung, Bekenntnis und
Kultus völlig geeinigt haben, anderseits die Wertschätzung der kirchlichen
Kunst, der Wissenschaft und Liebestätigkeit zum Ausdruck bringen. Schleier-
macher aber wird wohl kaum in der Gemeinde so recht Widerhall finden
trotz seiner großen kirchlichen Bedeutung, auch Wichern wird wohl nicht
dauernd populär in unserer Kirche gemacht werden können. Immerhin ist
hier auch inhaltlich ein beachtenswerter Versuch kirchlich-künstlerischer Neu-
und Weiterbildung gemacht. Im Chor hinter dem Kanzelaltar erhebt sich
im rosettenartigen Rundfenster das Brustbild Christi, das dem Stil der
Kirche gemäß einen mehr als nötigen archaistischen Charakter trägt. Der
Raum hat eine vorzügliche Akustik. Eines aber hätte vermieden werden
müssen, die Anbringung der Sakristei in Form eines von grünem Plüsch
erstellten Verschlags in den Kirchenraum; sie verunziert diesen und erinnert
stark ans Theater. Dann lieber gar nichts und den Pfarrer offen mit der
Gemeinde sitzen lassen, was übrigens der Ausdruck des modernen evan-
gelischen Gemeindebegriffs wäre, freilich aber praktisch manche Unbequem-
lichkeit mit sich bringt.
Wesentlich imposanter und moderner, als die Kirche, ist der zwei
Stockwerke einnehmende, 1300 Personen fassende große Festsaal (siehe
Abbildung 17). 300 von den genannten Sitzplätzen sind in Form von
Klappsitzen aus der Galerie, die mit der Kirche auf gleicher Höhe liegt und
das gleiche Treppenhaus in Anspruch nimmt, untergebracht. Ein 17 m
breites Tonnengewölbe schließt den Raum mit reicher Stuckverzierung nach
oben ab. Am Ende der Längsachse befindet sich ein auch malerisch hervor-
gehobener Rundbau als Bühnennische, Orchester- und Theaterzwecken dienend,
und zu deren Seiten Ankleideräume und eine Nottreppe.
Die Innenarchitektur ist in Eisenbeton ausgeführt. Es sind moderne
Formen bewußt angewendet worden. In einem der beiden Riesenfenster,
die durch Vorhänge in ihrer Lichtwirkung gedämpft werden können, trägt
eines in leuchtenden Farben das badische Wappen. Der Festsaal ist durch
drei große Flügeltüren zugänglich und völlig unabhängig von den andern
Zwecken dienenden Räumen. In ihm werden große Familienabende mit
Bewirtung (auch Teeabende!), Konzerte ersten Rangs, sowie Basare und
sonst profane Festlichkeiten, die dem kirchlichen Zwecke nicht widersprechen,
abgehalten. Die Akustik erweist sich auch für musikalische Aufführungen als
vorzüglich.
 
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