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Clemen, Paul [Hrsg.]
Belgische Kunstdenkmäler (Band 2): Vom Anfang des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts — München, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.43818#0011
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Abb. i. Oberer Abschluß von dem Kamin im Justizpalast zu Brügge.

I.
LANCELOT BLONDEEL
UND DIE ANFÄNGE DER

RENAISSANCE IN BRUGGE

Von PAUL CLEMEN

ie ist die neue Kunstgesinnung des 16. Jahrhunderts und die neue antikische
Formensprache, die wir die Renaissance nennen, nach Flandern gekommen?
Erwuchs ein verändertes Verhältnis zu den künstlerischen Aufgaben aus Kei¬
men, die im heimischen Boden lagen, oder wirkte, matten Widerstand rasch
überwältigend, auch hier die Fremde bestimmend ein ? Woher kamen die Anregungen und
wann? Hat die Architektur die Führung oder stehen Malerei und Plastik Pate? Wer
sind die Träger und Vermittler?
Unter den niederländischen Künstlern des neuen Jahrhunderts steht, wohl drei Jahre
nach Barend van Orley, drei Jahre vor Michel van Coxcyen geboren, der Flandrer Lancelot
Blondeel. Mit seinem Namen ist das glänzendste und berühmteste plastische Kunstwerk
der jungen Renaissance in Flandern, der Kamin in Brügge, verknüpft, seine Bilder in dem
üppigen Geschmeide des schimmernden gebräunten Goldes stehen wie kostbare kunst-
gewerbliche Schöpfungen zwischen den Werken der übrigen flandrischen Romanisten der
ersten Generation. Aber Blondeel ist schon ganz Mensch des neuen Zeitalters, als Künstler
sicher und naiv von dem Neuen besitzergreifend, nicht wie Mabuse und Orley erst durch
eine Periode der herben Spätgotik sich durcharbeitend. Er ist scheinbar der erste freie
und unbelastete Renaissancedekorateur, Schöpfer und vielleicht mehr noch Vermittler,
Sammler und Mittelpunkt für die neue Formenwelt. Keiner von den Großen und nichts wäre
irriger, als ihn durchaus aufzublasen und in die höchste Sphäre zu versetzen. Keine Ein-
heit, aber eine sehr merkwürdige, komplizierte Persönlichkeit, vielgeschäftig und vielgewandt,
Architekt und Dekorateur, Plastiker, Maler und Graphiker, Vorzeichner für Tapisserien,
Glasmalereien und Goldschmiedearbeiten, Grabmäler, gravierte Platten; Restaurator, Fest-
arrangeur, Ingenieur und Städtebauer, stärker vielleicht noch als Organisator denn als


ii. i

i
 
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