Abb. 106. Brüssel, Anfang 18. Jahrhunderts. Allegorie.
Galerie Fr. Lippmann, Berlin.
Art. Trotz des stark französierenden Geschmacks tragen die Brüsseler Bildteppiche um
1700 durchgängig ein eigenes Gepräge, die Kennzeichen des nationalen Kunstempfindens.
Die malerische Weichheit der Landschaft, die sich in den duftigen Horizonten und den
Wolkenbildungen bis zur Wiedergabe feinster atmosphärischer Eindrücke steigert, wird
man in den gleichzeitigen Pariser-, Aubusson- oder Beauvaisteppichen vergeblich suchen.
Diese heben sich dagegen durch die klare Plastik, die starke eindeutige Färbung ab.
Namentlich ein Vergleich von belgischen, besonders von Brüsseler und Audenarde-Ver-
düren mit solchen von Aubusson und Beauvais beleuchtet die Gegensätze. Mehr noch
als die mythologischen und allegorischen Tapisserien zeigen die Bauernszenen und
Schlachtenbilder den Unterschied der beiden großen Kunstkreise. In Brüssel wurde durch
die beiden Teniers der Ton der Bauernszenen, der ländlichen Feste, bestimmt. Eine große
Zahl solcher »Tenieres« von hervorragender Qualität sind in deutschen und österreichischen
Schlössern erhalten. Auf eine glänzende Folge von vier großen Teppichen mit Bauern-
szenen in baumreichen Landschaften, die in dem Berliner Kunsthandel aufgetaucht ist,
sei hier hingewiesen. Der Stil des David Teniers ist hier bereits teilweise leicht von einer
Eleganz angeweht, wie sie Berghem und die italienisierenden Bauernmaler einführten.
Die Baumgruppen sind von einer seltenen Schönheit der Zeichnung. Aus den grünen
und grünblauen Laubmassen schimmern einzelne bräunliche und braunrötliche warme
Farbflecken hervor. Baumalleen durchziehen die belichtete Hügellandschaft, die sich
weit in die Tiefe dehnt. Die Rosen- und Tulpenborte erinnert wieder an die Brüsseler
Teppiche vom Ausgang des 17. Jahrhunderts. Äußerst reich sind diese Teppiche mit Seide
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Galerie Fr. Lippmann, Berlin.
Art. Trotz des stark französierenden Geschmacks tragen die Brüsseler Bildteppiche um
1700 durchgängig ein eigenes Gepräge, die Kennzeichen des nationalen Kunstempfindens.
Die malerische Weichheit der Landschaft, die sich in den duftigen Horizonten und den
Wolkenbildungen bis zur Wiedergabe feinster atmosphärischer Eindrücke steigert, wird
man in den gleichzeitigen Pariser-, Aubusson- oder Beauvaisteppichen vergeblich suchen.
Diese heben sich dagegen durch die klare Plastik, die starke eindeutige Färbung ab.
Namentlich ein Vergleich von belgischen, besonders von Brüsseler und Audenarde-Ver-
düren mit solchen von Aubusson und Beauvais beleuchtet die Gegensätze. Mehr noch
als die mythologischen und allegorischen Tapisserien zeigen die Bauernszenen und
Schlachtenbilder den Unterschied der beiden großen Kunstkreise. In Brüssel wurde durch
die beiden Teniers der Ton der Bauernszenen, der ländlichen Feste, bestimmt. Eine große
Zahl solcher »Tenieres« von hervorragender Qualität sind in deutschen und österreichischen
Schlössern erhalten. Auf eine glänzende Folge von vier großen Teppichen mit Bauern-
szenen in baumreichen Landschaften, die in dem Berliner Kunsthandel aufgetaucht ist,
sei hier hingewiesen. Der Stil des David Teniers ist hier bereits teilweise leicht von einer
Eleganz angeweht, wie sie Berghem und die italienisierenden Bauernmaler einführten.
Die Baumgruppen sind von einer seltenen Schönheit der Zeichnung. Aus den grünen
und grünblauen Laubmassen schimmern einzelne bräunliche und braunrötliche warme
Farbflecken hervor. Baumalleen durchziehen die belichtete Hügellandschaft, die sich
weit in die Tiefe dehnt. Die Rosen- und Tulpenborte erinnert wieder an die Brüsseler
Teppiche vom Ausgang des 17. Jahrhunderts. Äußerst reich sind diese Teppiche mit Seide
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