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Clemen, Paul [Hrsg.]
Belgische Kunstdenkmäler (Band 2): Vom Anfang des sechzehnten bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts — München, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.43818#0184
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gewebt, während im allgemeinen die belgischen Teppiche damit weit sparsamer als die
Gobelins und Beauvais verfahren. Die endgültige Gewißheit der Brüsseler Fabrikation
für diese herrliche Folge soll nicht behauptet werden. Manche Züge sprechen auch für
die durch Feinheit ihrer Erzeugnisse ausgezeichnete Fabrik von Lille, die in der ersten
Hälfte des 18. Jahrhunderts unter Joh. de Melter und später unter Guilleaume Werniers
ihre Glanzzeit erlebte.
In Brüssel blühten damals in erster Linie die Manufakturen des van den Hecke, des
Reydams und seit etwa 1700 vor allem die de Vos und van der Borght. Die beiden
letzteren haben durch die im Anschluß an van der Meulen gewirkten Kriegsbilder aus
dem Spanischen Erbfolgekrieg, durch Soldaten-, Lager- und Pferdebilder nochmal die
belgische Teppichwirkerei zu einer Höhe erhoben, wie sie unter den Burgunder Herzögen,
unter Maximilian und Karl V. wie unter den Erzherzogen Albert und Wilhelm nicht
größer war. In den Schlössern von Wien, Dresden, Berlin, Schleißheim und München,
im Dom zu Aachen, im ehemaligen Wespienschen Hause zu Aachen sind oder waren
die schönsten Schöpfungen dieser wunderbaren Kunst. Einige Verkäufe der letzten Zeit
beweisen, daß die Brüsseler Regence- und Rokokoteppiche in der Schätzung des Publikums
die gleiche Stelle wie die höchstbezahlten Pariser- und Beauvaistapisserien errungen haben.
Und mit Recht. Daß sie gerade im Deutschland des 18. Jahrhunderts solchen Beifall
fanden, findet seine Erklärung darin, daß der höchst malerische naturfrohe Zug dieser
Teppichwerke mit ihrem Reichtum herrlicher Pferdetypen, Offiziers-, Soldaten und Bauern-
gestalten, mit ihren bewegten, von Licht und Schatten überzogenen Landschaftsgründen
und mit dem tiefen Waldesdickicht unserem Geschmack besonders zusagte. Es ist bezeichnend,
daß die belgische Kunst in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, während doch die
Malerei die im Jahrhundert des Rubens und seiner Schüler erreichte Bedeutung einbüßte,
in der Teppichwirkerei noch so Großes schuf. Hierin entfaltete sich der flämische Genius
noch einmal und schuf Werke, die dem Besten der monumentalen Kunst aller Zeiten an
die Seite zu stellen sind.
Literatur
Wauters, Alphonse, Les tapisseries bruxelloises. Essai historique sur les tapisseries et les
tapissiers de haute et de basse lice de Bruxelles. Bruxelles 1878 — Wauters et Keuller, Les
tapisseries historiees ä l’exposition beige de 1880. Bruxelles 1881. — Müntz Eugene, La tapisserie,
2 Aufl. Paris 1884. — A. Pinchart, Tapisseries flamandes. Bd. III der Histoire generale da la
tapisserie, herausgeg. von Jules Guiffrey. —■ Guiffrey, Jules, Histoire de la tapisserie depuis le
moyenäge jusqu’ä nos jours. Tours 1886. — Soil, Eugene, Les tapisseries de Tournai, les
tapissiers et les hautelissiers de cette ville. Tournai, Lille 1892. — Destree, Jos., Tapisseries et
sculptures bruxelloises ä l’exposition d’art ancien bruxellois, organisee ä Bruxelles . . . 1906 —
Thiery, A., Les Tapisseries historiees signees par Jean van Room, dit Jean de Brussel, Peintre
de Marquerite de Savoie, Regente des Pays-Bas. Louvain 1907. — Destree J. et P. van den Veen,,
Les tapisseries de Musees royaux du Cinquantenaire ä Bruxelles 1910.

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