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Bömer, Aloys [Editor]; Degering, Hermann [Honoree]
Mittelalterliche Handschriften: palaeographische, kunsthistorische, literarische und bibliotheksgeschichtliche Untersuchungen ; Festgabe zum 60. Geburtstage von Hermann Degering ; mit 1 Farbentaf. und 16 Taf. in Lichtdr. — Leipzig, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.44802#0045

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ALOYS BÖMER

Geschichte weiter rückwärts zu verfolgen, erhebt sich zunächst die Frage, wann und
wie er in die Dombibliothek gekommen sein wird. In dem 1589 geschriebenen, aber
mit Nachträgen späterer Erwerbungen versehenen Katalog des der Dombibliothek
1586 testamentarisch vermachten Bücherbesitzes des münsterischen Domdechanten
Gottfried v. Raesfeld (Staender Nr. 754) steht er nicht verzeichnet. Erst in einem
1710 von dem Bibliothekar Adam Georg Hönigh neu angelegten Katalog (Staender
Nr. 756) erscheint er S. 289 in einer Abteilung mit der Überschrift „Item extant in
Bibliotheca sequentes libri sine numero, quos hinc inde ä Dominis recollegi“ als
„Missale Monasteriense in pergameno conscriptum holoserico et uncinulis argenteis
comparatum.“ Den Band hat also wohl bis dahin einer der Domherren in Ver-
wahrung gehabt. Als Hönigh ihn der Dombibliothek einverleibte, wird er den auf
Bl. lr stehenden Besitzvermerk „ad Bibliothecam Cathedralis Ecclesiae Monsis“
eingeschrieben haben. Statt der Bezeichnung „Missale Monasteriense etc.“ hat
der Bibliothekar Johann Ignaz Pathuis in seinem 1755/56 angelegten Katalog
(3 Exemplare: Staender Nr. 758-60) den Titel gewählt: „Missale Episcopi et Principis
De Hoja rubro holoserico compactum, argenteis clausuris et angulis eiusque in-
signibus decoratum.“ Der hier auch wieder kurz beschriebene Einband ist erst mehr
als 100 Jahre nach Entstehung der Handschrift angefertigt oder wenigstens er-
neuert. Die starken hölzernen Einbanddecken wurden damals mit rotem Samt über-
zogen und von einem kunstfertigen Silberschmied im Renaissancestil ausgeschmückt.
Er schützte in üblicher Weise die vier Ecken des Vorder- und Hinterdeckels durch
getriebene Beschläge mit hochaufliegendem ovalen Buckel, brachte zwei Schließen
an mit einer eingravierten Darstellung zur Erläuterung des auf einem fliegenden
Bande stehenden Spruchs „PACIENCIA OMNIUM VICTRIX“ und setzte schließ-
lich in die Mitte der beiden Deckel kreisrunde Schilder mit erhöhten Rändern, in
welche die erwähnten „insignia“ eingearbeitet sind. Es handelt sich dabei um das
Wappen des alten niedersächsischen Grafengeschlechtes derer v. Hoya, vereint mit
dem der Bistümer Münster und Osnabrück. Nun hat aber zweimal ein Mitglied des
Hoyaschen Geschlechts gleichzeitig auf dem münsterischen und Osnabrücker
Bischofsstuhl gesessen: um die Wende des 14. und 15. Jahrhunderts Otto v. Hoya
(j- 1424), in Münster seit 1392, in Osnabrück seit 1404, und in der 2. Hälfte des
16. Jahrhunderts Johann v. Hoya (f 1574), in Osnabrück seit 1553, in Münster erst
seit 1566. In Heinekens „Nachrichten von Künstlern und Kunstsachen“ (Th. 2.
Leipzig 1769, S. 36), der ältesten Erwähnung unseres Werkes in der Literatur, wird
der Band dem ersteren zugewiesen, und zwar mit den Worten: „Auch findet man (in
der Bibliothek des Domkapitels) ein wunderschön geschriebenes Missale mit sehr
fein gemalten Miniaturstücken, welches vor den Bischof Otto Grafen v. Hoya verfertigt
worden.“ Dieser Ansicht schließt sich 1835 auch der münsterische Premierleutenant
Becker an in seinem Aufsatz „Über ein mit Miniaturen geschmücktes Missale in der
Paulinischcn Bibliothek zu Münster“1). Daß der Einband für Johann v. Hoya

) In: Museum. Blätter für bildende Kunst. Hrsg. v. F. Kugler. 3. Jg. Berlin 1835. S. 391—92. 397-98.
 
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