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Bömer, Aloys [Editor]; Degering, Hermann [Honoree]
Mittelalterliche Handschriften: palaeographische, kunsthistorische, literarische und bibliotheksgeschichtliche Untersuchungen ; Festgabe zum 60. Geburtstage von Hermann Degering ; mit 1 Farbentaf. und 16 Taf. in Lichtdr. — Leipzig, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.44802#0046

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EIN GOTISCHES P R A C H T M IS S A LE UTRECHTSCHER HERKUNFT 31
hergestellt sei, hält er für ausgeschlossen, weil dieser auch noch Administrator des
Bistums Paderborn war, dessen Wappen nicht beigefügt ist, aber er bezeichnet es als
nicht unwahrscheinlich, daß Johann die einst einem Mitglied seiner Familie zu-
gehörig gewesene Handschrift mit einem neuen Einband hat schmücken lassen, und
daß bei dieser Gelegenheit Otto v. Hoyas Wappen angebracht wurde. In Wirklich-
keit liegen die Dinge ganz anders. Gegen eine Entstehung des Kodex während der
Regierung Ottos spricht sowohl die Schrift, als auch, wie wir noch im einzelnen
sehen werden, der bildnerische Schmuck des Bandes, die beide mit aller Deutlichkeit
erst auf das 2. Viertel des 15. Jahrhunderts hinweisen. Das Werk ist für Johann
v. Hoya neu gebunden, und daß es sich auch um dessen Insignien handelt, dem
braucht das Fehlen des Paderborner Wappens keineswegs zu widersprechen, denn
einmal ist es möglich, daß der Einband angefertigt wurde, als Johann noch nicht die
Administration von Paderborn übernommen hatte, was erst 1568 geschah, und
außerdem kann das Wappen von Paderborn aus einem rein äußeren Grunde, mit
Rücksicht auf die Symmetrie, fortgelassen sein, da bei den gewählten Darstellungs-
arten das Hoyasche Wappen bequemer mit zwei als mit drei anderen zu ver-
binden war.
Wie aber — fragen wir weiter — mag Johann v. Hoya in den Besitz des Missale ge-
kommen sein, wenn mit einer Erbschaft von seinen Vorfahren nicht zu rechnen ist?
Bei der Beantwortung dieser Frage spielt natürlich die Herkunft des Werkes eine
große Rolle. Wir hörten schon, daß es der Dombibliothekar Hönigh 1710 als „Missale
Monasteriense“ eintrug, und im Einklang hiermit hat man bislang auch allgemein
eine Entstehung auf münsterischem oder wenigstens westfälischem Boden ange-
nommen. Der bereits erwähnte Becker, Wilhelm Lübke1) und J. B. Nordhoff2)
glaubten dabei enge Beziehungen des bildnerischen Schmuckes zur altkölnischen
Malerschule feststellen zu können, während Willem Vogelsang3) in der Ornamentik
einen bemerkenswerten Anklang an einen holländischen Typ herausfand, jedoch ohne
an einer Entstehung in Westfalen zu zweifeln. Daß die Liturgie nicht an einer einzigen
Stelle auf das Bistum Münster hinweist, ist merkwürdigerweise keinem aufgefallen.
Auch daß Schrift und Schmuck sich weit über alles erheben, was in Westfalen und
speziell in Münster sonst geleistet ist, wo als Hersteller eigentlich nur die eifrigen Brü-
der vom gemeinsamen Leben in Frage kämen, hat keine genügende Beachtung ge-
funden. Wenn wir heute imstande sind, an die Stelle einer nur ablehnenden Kritik
ein positives neues Ergebnis zu setzen, indem wir eine Utrechtsche Herkunft des
Bandes nachweisen können, so ist uns das ermöglicht durch das große Tafelwerk von
A. W. Byvanck und G. J. Hoogewerff über die nordniederländischen Miniaturen des
T) W. Lübke, Die mittelalterliche Kunst in Westfalen. Leipzig 1853. S. 345.
2) J. B. Nordhoff, Die kunstgeschichtlichen Beziehungen zwischen dem Rheinland und Westfalen.
In: Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinland. Heft 53/54. Bonn 1873. S. 55. Vgl. auch
seine „Denkwürdigkeiten aus dem Münsterischen Humanismus“, Münster 1874. S. 188.
3) W. Vogelsang, Holländische Miniaturen des späteren Mittelalters. Straßburg 1899. (Studien z. deut-
schen Kunstgeschichte. H. 18.) S. 23.
 
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