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fdjen Akkord und verleiht dem Totaleindruck fast einen melodiösen Charakter.
Züchen wir die dargestellte Scene mit kurzen Worten zu schildern. Eine in
ein schwarzsammtnes Kleid, das nur die schönen Schultern und den stolzen
.hals erblicken läßt, gekleidete Dame von imposanter Schönheit sitzt einsam
in ihrem Zimmer vor dem Marmor-Kamin auf einer niedrigen Fußbank.
Sie hat den linken Arm, worauf ihr gesenkter Kopf ruht,' auf das Knie ge-
stützt und schaut sinnend und mit verhaltener innerer Bewegung in die Flamme
des Kamins, in welche sie eine Anzahl Briefe hineingeworfen hat. Noch
steht das Kästchen, welches diese stummen aber beredten Zeugen eines ehe-
maligen Glücks bewahrte, geöffnet vor ihr am Boden. Und wie ein Pa-
pier nach dem andern verkohlt, sinkt eine Erinnerung nach der andern in das
Grab der Vergangenheit, und nur der feuchte Glanz in ihrem schwermuths-
vollen Auge deutet auf den Schmerz, den dieses stückweise Zerreißen der
zarten Fäden, welche das Herz an das Glück von ehemals knüpften, in ihrer
Brust hervorruft. Was sie zu diesem Autodafe von Erinnerungen des Her-
zens veranlaßt, wer mag es sagen! Daß es keine rasche That der Leidenschaft,
sondern die Furcht einer schmerzlichen aber ruhigen Ueberlegung ist, möchten
wir aus der ganzen Haltung der Figur, aus dem jedes falsche Pathos, sowie
jede weickliche Sentimentalität ansschließenden Ernst folgern, welcher das
wesentlichste Merkmal des Gesammteindrucks ist. Und eben weil die Bewe-
gung hier eine rein innerliche ist, ergreift sie um so mehr. Hinter dem tiefen
Schmerz, der sich kaum zu einer halben Thräne gestaltet», steht der weibliche
Stolz in seiner ganzen Kraft; und dieser Stolz, welcher nur hier in der
Einsamkeit durch die unbelauschte Empfindung zurückgedrängt ist, ruft eben
für diese eine um so lebhaftere Theilnahme hervor. — Was die Malerei be-
trifft, so haben wir den Gesammtcharakter schon oben bezeichnet. Tief, kraft-
voll und zugleich weich, spricht uns der volle warme Grundton sofort als
Stimmungsmoment in bedeutungsvoller Weise an. Der Hauptfigur sind die
Nebensachen, obwohl mit vorzüglichem Fleiß durchgeführt, doch in verstän-
diger Weise untergeordnet, ohne den Charakter der lokalen Wahrheit zu ver-
lieren. Das Fleisch ist vielleicht etwas zu warm gehalten, wenigstens ini
Gesicht, obwohl diese Wärme mit dem Grundton vollkommen harmonirt,
Hände und Hals sind bewunderungswürdig. — Bon sehr hübscher humori-
stischer Wirkung ist Wischebrink's „Mäkelnder Lehrling." In der Technik
ziemlich anspruchslos und gerade so weit durchgesührt, als es zur Geltend-
machung der komischen Idee hinreicht, wirkt dies hübsche Bildchen in sehr
anziehender Weise. Es stellt eine jener Scenen dar, wie sie in dem Lehrlings-
leben wohl oft genug Vorkommen mögen, nämlich daß das Essen des Meister-
tisches nicht munden will. Verdrossen sitzt nun der Trotzkopf von der unbe-
rührten Schüssel mit Kartoffeln und Mohrrüben und sticht, um seine Rache
an Etwas zu kühlen, mit der Gabel Löcher in das Tischtuch. Der ihm
gegenübersitzende Meister ist erstaunt über diese ihm unerhörte Dreistigkeit
und ruft ihm über den Tisch eine energische Drohung zu. Ein anderer,
schon besser geschulter Lehrbursche hat dagegen seinen Teller rein ausgegessen
und blickt, während er noch die letzten Spuren davon vertilgt, als ob es ihm
gar zu schön schmecke, verstohlen auf das dem Entladen nahe Gewitter, wel-
ches über dem Haupte seines Kameraden heraufzieht. Ein Mädchen, welches
ihren geleerten Teller einer Katze hinabreicht, und die Frau Meisterin, welche
eben die Stube zu verlassen im Begriff ist, vervollständigen das Bild. Der
beabsichtigte Humor kommt in der sehr gelungenen Charakteristik der Phy-
siognomien zur vollständigen Wirkung.

Ganz kürzlich ist ein interessantes Bild von Ed. Ende (in Wien) zur
Aufstellung gekommen, welches „Alexander von Humboldt und Bonpland"
inmitten ihrer Pflanzen und geologischen, u. s. f. Instrumente in einer aus
Palmenstämmen roh aufgebauten Hütte darstellt. Das Ganze ist mit ziem-
licher Kraft gemalt und hübsch arrangirt, auch kann man die Portraitähnlich-
keit der beiden berühmten Männer nicht verkennen. Als Genrebild macht es
nur den Eindruck einer gewissen Leblosigkeit und als Portraitgemälde ist es etwas
zu genrehaft behandelt. Lobenswerth ist die sorgfältige Ausführung, nament-
lich der zahlreichen blühenden Kräuter. — A. Schrödter hat un$. wieder
durch eine seiner lieblichsten und sinnigsten Schöpfungen erfreut, nämlich einer
großen und figurenreichen Aquarelle, betitelt „der Einzug des Frühlings."
Auf einem kolossalen Blumenkelche ruht der heiterlächelnde, blonde Knabe und
streut, umgeben von einer Heerschaar belebter Blumen, die ihn in jauchzenden
Reigen umtanzen und umschweben, einen Blüthenregen über die aus dem
Schlafe der Natur erwachende Welt. In den beiden oberen Ecken des. bogen-
artig sich in Arabesken verschlingenden Rahmens lesen wir den Text zu dieser
Illustration, auf der einen Seite:

Der Frühling lacht von grünen Höh'u,

Es steht vor ihm die Welt so.schön,

Als wären eines Dichters Träume
Getreten sichtbar in die Räume.

Und auf der andern:

Die Lauben Edens werden leer,

Zur Erd' hernieder zog das Heer,

Wo nun die Engel schöner wohnen
In Nosenzelt und Lilienkronen.

Unten aber, am Fuße des Bildes, welches die heitere Lust des Frühlings
unfern Blicken enthüllt, hat der Künstler den belebenden und kräftigenden
Einstuß des Lenzes in zwei Pendantfiguren angedeutet. Auf der einen Seite
erblickt man einen bei der Studirlampe sitzenden hohlwangigen Gelehrten,
welchem ein neckischer Blumengott die Brille raubt, wodurch der arme Mann
plötzlich — sehen lernt, nämlich die lachende reizende Natur, deren fröhlicher

Anblick seine kranken Augen fast blendet. Entzückt blickt er empor auf das
herrlicke Schauspiel des „Frühlingseinzugs" und vergißt darüber seine Ma-
nuskripte und Folianten. Auf der andern Seite liegt eine arme, kranke Frau,
welcher die. milden Frühlingslüfte neuen Muth, neue Hoffnung und neue
Kräfte einhauchen. Zwischen ihnen aber, im Piedestal des Rahmens, lesen
wir die schönen Worte:

Bist nicht verarmt, bist nicht, allein.

Umringt von Lenz und Sonnenschein.

Wach auf, wach auf, du Menschenkind,

Daß dich der Lenz nicht schlafend findt.

Es ist eine gar liebliche Komposition und mit zartem, genialen Pinsel
durchgesührt. DaS wäre ein Blatt, welches der Vervielfältigung sehr wür-
dig wäre.

Unter den neuerdings hinzugekommenen Landschaften müssen wir vor
Allem zwei in Charakter und Stimmung sehr verschiedene, aber in hohem
Grade poetische Landschaften von Ed. Hildebrandt hervor. Das eine ist
„Norwegische Mondnacht", das andere „ein Angler" betitelt. Sie sind sehr
verschieden, im Motiv wie in der Wirkung, aber in beiden spricht sich des
Künstlers eigenthümliche und tiefpoetische Natnrbetrachtuug in hohem Maaße
aus. Die „Norwegische Mondnacht" zeigt ein ziemlich breit sich ausdehnen-
des Gewässer, welches im Hintergründe durch einen Gebirgszug begrenzt wird,
über welchen sich, von dunkeln aber lichtdurchglühten Wolken umspielt, die
glühende Scheibe des Mondes erhoben hat, um einen breiten Strom von
flüssigem Gold über die leichtbewegte Fläche des Wassers auszugießen. Der
„Angler" gehört zu den feinsten und stimmuugsreichsten Gemälden Hilde-
braudt's. Anspruchslos in der Wirkung, milde und zart in der Beleuch-
tung, weht aus ihm ein poetischer Hauch stillen Naturfriedens den Beschauer
an, der unendlich wohlthuend wirkt. Leider hat das schöne Bild in diesem
Augenblicke auch bereits die Ausstellung verkästen, um in Privatbesitz über-
zugehen, so daß wir uns, da es doch nicht mehr gesehen werden kann, mit
dieser kurzen Andeutung begnügen. Vielleicht wird uns später Gelegenheit,
ausführlicher daraus zurückzukommen. — Von Ochs (aus Magdeburg) ist
eine recht fleißig ausgeführte Landschaft „Blick vom vsnt de Jaman auf
den Genfersee", von Franz Krause (Berlin) ein ansprechendes Bildchen
„Am Kochelsee in Oberbayern" ausgestellt. Von MLdinger ist ein wir-
kungsreicher „Winterabend", dessen Motiv einfach aber geschmackvoll ist, vor-
handen. — Gur litt's „Bei Castel nuovo in der Bocca di Cattaro in
Dalmatien" ist ein dankbares Motiv, aber ohne rechten Geschmack behandelt.
Die Farbe ist hart und trocken^und zeigt namentlich in der Behandlung der
Berge im Mittelgründe etwas Schleimiges. Reizend in seiner Klarheit und
Frische dagegen ist ein kleines Bild von dem talentvollen Girscher „Senn-
hütte aus dem Pinzgau", es ist ein wahres kleines Kabinetstück. — Ein paar
recht hübsche Bildchen hat auch Hartmann ausgestellt, beide mit „Rheini-
sches Motiv" betitelt. Das eine stellt einen Wald mit einem Durchblick in
die Ferne dar, das andere ein Bauerngehöft. Auch die Technik ist durch
Solidität und Feinheit des Tons, wonach der Künstler sichtbar strebt, recht
anerkennenswerth. — Auch haben wir ein ebenfalls kleines Bild von Oester-
reich anzuführeu, welches eine Abendstimmung im Hildebrandt'schen Stil dar-
stellt. Born flaches Haideland, über welches die hinter Wolken halb verdeckte
Abendsonne ein scharfes Streiflicht gießt, im Mittelgrund ein Zug dunker
Bäume, deren Konture von den Strahlen der untergehenden Sonne vergoldet
werden. Das Bildcken macht eine kräftige und in seiner Einfachheit selbst
poetische Wirkung. Nur die farbigen Sonnenreflexe auf den Bäumen könnten
mit etwas größerer Feinheit behandelt sein.

Außer diesen deutschen Gemälden haben wir noch eine Anzahl kleiner
Kabinetsstücke fremder Schule zu erwähnen, welche fast sämmtlich von großer
technischer Bedeutung sind. Unter den Landschaften stehen hier in erster Reihe
drei reizende Bildchen von Schelshout: „Strand bei Scheveningen",
„Strand" und „Winter mit Schlittschuhläufern." Die ungemeine Deli-
katesse der Ausführung, die Zartheit und Feinheit des Colorits machen
diese auch im Motiv sehr geschickt behandelten Bilder zu Meisterstücken von
hohem künstlerischen Werth. Auch Koeckkoek ist wieder durch zwei Bilder
vertreten, welche von entschieden besserer Art, d. h. nicht so konventionell und
glatt sind, als frühere Werke des Künstlers. Sie sind beide mit „Landschaft"
betitelt und als Pendants behandelt; das eine stellt das Innere eines Waldes
mit einigen Kühen, das andere einen Hohlweg zwischen bewachsenen Felsen
mit Staffage von Kühen dar. — Die andern sind Figurenbilder, von
Schölten: „Ca toilette“, eine Dame in hellgrauem Kleide auf einem
Sopha, in einem Handspiegel sich spiegelnd, von U l y ss e: „C’amateur“, einen
Bilderliebhaber, auf einem Stuhle sitzend, mit einem Bilde auf den Knieen,
das er aufmerksam betrachtet, darstellend. Bedeutender ist H. ten Kate's
„Ca fete de St. Nicolas“, welches eine fast deutsch aufgefaßte Familienscene
zur Anschauung bringt: der Vater sitzt auf einem Stuhle, mit dem jüngsten
Kinde auf dem Schooße, daneben steht lächelnd die Mutter. Ein älterer
Knabe und ein kleines Mädchen erfreuen sich, in der Stube umherspielend,
an ihren Geschenken, der erstere an einem Wiegepserd, das zweite an einer
kolossalen, sehr schön geputzten Puppe. So hübsch gedacht und gefällig gruppirt
die ganze Scene ist, so liegt dock) der größte Werth des Bildes in der vor-
züglich schönen und mit unübertrefflicher Feinheit durchgeführten Behandlung
des Kolorits. Ja dieser Beziehung haben unsere deutschen Genremaler noch
viel von den Franzosen und Belgiern zu lernen.

M. Sr.

Fortsetzung in der Beilage.
 
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