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Beilage zu M10 der „Dioskuren".

zwischen deren Stämmen man in die dunstige Ferne schaut, welche rechts
von einigen Gebäuden in italienischem Stil abgeschlossen wird. Der Himmel
scheint nicht gerade in italienischem Charakter zu sein, obwohl er in der Be-
tonung mit dem übrigen Theil des Bildes stimmt. Es spricht sich in dem
Ganzen ein entschiedenes und bedeutendes Talent aus, das freilich in dem
Nachsehen auf dem Wege O. Achenbach's sich allzusehr der Originalität
entschlägt und daher leicht in Gefahr gerathen könnte, in Manier zu verfallen. —
Von And. Achenbach ist ein kleines Effcktstückchen, wenn man es so nennen
darf, vorhanden: „Strand bei bewegter See."—Die Darstellung des Was-
sers, dessen hohe Wellen das dahinter mit dein Sturme kämpfende Schiff fast
ganz verdecken, ist meisterhaft in Farbe und Bewegung. Auch die gewitterhafte,
mit Wolken bedeckte Luft, zwischen denen ein fahles Licht hindurchblitzt, macht
einen gewaltigen und bei aller Energie der Wirkung doch harmonischen Ein-
druck. •— Ein Werk von Bedeutung ist ferner das ebenfalls noch von der
, vorvorigen Kunstausstellung her bekannte große Stimmungsbild „die Ebene
von Theben" von Herrenburger. Die Wirkung ist ebenso charaktervoll
wie großartig; Einfachheit in den Linien verbindet sich darin mit einer Fein-
heit des GesammtkoloritS, welche dem Ganzen ein bedeutungsvolles Gepräge
verleiht. Herrenburger hat mit diesem Bilde abermals einen Beleg für
sein stets auf das charakteristisch Poetische in der Natur gerichtetes Gefühl
künstlerischer Schönheit gegeben; denn in dem charakteristisch Poetischen, d. h.
in dem Eindruck, welchen die Natur als ein Ganzes auf die Empfindung
äußert, liegt eigentlich auch allein das Problem des Stimmungsmäßigen.
Nicht das Detail, wie sauber und liebenswürdig es auch erscheinen mag, sondern
die Beziehung zwischen allen einzelnen Momenten des Motivs, und das Zu-
sammenwirken aller zu einer einfachen Gesammtwirkung verleiht dem Bilde jenen
Zauber, den man deshalb mit „Stimmung" zu bezeichnen pflegt, weil man selbst
dadurch gestimmt wird. Um eine solche Stimmung im Bilde zu erreichen, muß
der Künstler es verstehen, die Natur selbst mit innerlicher Stimmung zu be-
trachten und das in ihr liegende charakteritische Schöne herauszufühlen. —
Rollmann's „Gegend bei Partenkirchen" gehört dagegen der naturalistischen
Richtung an, wenigstens was die.Wahl des Motivs betrifft. Allein die ganze
Auffassung zeugt ebenfalls von dem entschiedenen Streben, die Mannigfaltig-
keit des Vorwurfs, welchen eine weite und reiche Fernsicht in das schöne
Gebirgsthal bietet, durch das Gepräge einer prägnanten Stimmung zu einer
subjektiv-poetischen Wirkung zu erheben. Stimmung wird in den meisten Fällen
durch Vereinfachung des Kolorits, durch Koncentration des Tons, durch har-
monische Vermittlung der lokalen Farbenscalen erreicht. Rollmann hat
diese bei dem gewählten Motiv, eben seines Reichthums wegen, schwierige
Aufgabe niit feinem Sinn dadurch erreicht, daß er einen großen Accent auf
die Behandlung der Luft und deren Beziehung zum Terrain, in Wolken-
schatten und dergleichen, gelegt hat. Dadurch erreicht er in der That, trotz
der Menge Details, eine Einfachheit des Effektes, welche überaus wohl thut,
weil sie die bloße „schöne Gegend" zu einem malerischen Motiv umschasit.

Vom technischen Standpunkt müssen wir noch auf die meisterhafte Malerei
und Zeichnung des Terrains aufmersam machen, welche in der That ein
merkwürdig feines Verständniß der Natur bekundet. — Einen noch größeren
und entschiedeneren Accent auf das Moment'der Stimmung legt Kühling's
„Landschaft niit Vieh." Von einem ziemlich hochgelegenen Terrain, welches
nur rechts von einigen noch höheren Felswänden im Vordergründe abge-
schlossen wird, schweift der Blick des Beschauers hinaus in das von duftig-
warmen Glanz der dem Untergange nahen Abendsonne übergossene Thal der
Salzburger Ebene, und weiter hinüber zu den in einfachen Formen den Ho-
rizont abschließenden Gebirgen. Der Himmel ist mit Wolken bedeckt, welche
sich über dem Thale sammelnd langsam nach Osten ziehen. Wenn man sich
in die Anschauung dieses in so milder Gluth schwimmenden Gebirgsthals
versenkt, möchte man fast den Ton der Abendglocken zu hören vermeinen,
welche von unten heranftönen, an die Stunde mahnend, in der die Natur zu
feiern beginnt. Es ist die letzte und darum doppelt warme Gluth der schei-
denden Sonne, als wolle sie vor ihrem Abschiede die geliebte Erde nochmals
glühend umarmen: keine strahlende Kokette, die zuletzt noch alle ihre feurig-
sten Liebesblitze sendet, sondern eine milde liebende Freundin, welche der nun
bald in den Schleier der Nacht sich hüllenden Erde eine freundliche Erinne-
rung htnterlassen will. Das Bild ist von wahrhaft poetischer Wirkung, mit
Empfindung gemalt und darum an die Empfindung sprechend. Von beson-
derem Werth ist auch die Vordergrundstaffage, welche in passender Weise
zwei Mädchen darstellt, welche die bei einbrechendem Abend aus den Ge-
birgsschluchten heranfkommendcn Kühe und Ziegen melken, um sie dann nach
Hause zu treiben. Das Vieh ist mit gutem Verständniß gezeichnet, glücklich
gruppirt und mit Sorgfalt ausgeführt. — Bon Crola ist ein ansprechendes
Bild „Bei Schladning in Steyermark", von Girscher endlich eine vortreff-
liche „Mondlandschaft" vorhanden. Die Art, wie der Mond zwischen den
Wolken durchbricht, um sein geheimnißvolles Licht über die Landschaft aus-
zugießen, ist fein gedacht. Born erblickt man eine mächtige Eiche am Wasser,
an dessen Ufer ein einsamer Storch steht. Es ist überhaupt die Einsamkeit
der Natur in ihrem Halbschlummer, welche aus dem Bilde mit künstlerischer
Wahrheit uns anspricht, und welche über das Bild einen Hauch poetischer
Schönheit breitet. — Bon Seiffert endlich sind zwei Bilder ausgestellt,
„Blick auf die Peterskirche in Rom" und „Nemisee", wovon namentlich das
letztere zu den besten Arbeiten des Künstlers gehört, und besonders im Mit-
telgründe von großer Schönheit ist. Das erstgenannte stellt eine Abendstim-
mung dar und ist nicht ohne Wirkung, doch könnte der Vordergrund etwas
kräftiger sein. — Schließlich erwähnen wir noch ein „Blumenstück" von Holt-
hausen, welches mit Sauberkeit, wiewohl etwas konventionell, ausgeführt ist.
Diese fast miniaturartige Behandlung von Früchten und Blumen m Natur-
größe ist nicht immer vortheilhaft für die künstlerische Wirkung, da sie allzu-
leicht zu einer gewissen Glätte führt. M. Sr.

(Fortsetzung folgt.)

Kunst-Institute und Kunst-Vereine.

Archäologische Gesellschaft in Berlin.

(Sitzung vom 7. April.)

Ein von Herrn Eichler vorgestellter bärtiger griechischer Kopf von edlen
Zügen, welcher unter Pariser Gipsabgüssen als Bildniß des Plato bezeichnet zu
werden pflegt (wo das Original sich befindet, ist unbekannt), gab Herrn Gerhard
Veranlassung, die Verschiedenheit der Gcsichtszüge dieses Kopfes sowohl von dem flo-
rentinischen in Visconti's Ikonographie, als von dem durch Braun (Mon. dell’
Inst. III. 7) bekannten, nach England gegangenen Sitzbild, ans welchen beiden der
alte Name des göttlichen Philosophen geschrieben steht, nachzuweisen, wonach jener
Bezeichnung nicht beigepflichtet werden könne. Vielmehr kommt bei dessen Bestim-
mung die seit Winkelmann häufig vorausgesetzte Verwandtschaft der Platokopfe mit
denen des bärtigen Bacchus in Anschlag, welche letztere keineswegs nur auf hieratische
Darstellungsweise beschränkt und mit dem künstlichen Haarpntz des vorgedachten Kopfes
^ie mit den etwas weichlichen Zügen desselben auch nicht unverträglich sind; doch ist
E>nzuräumen, daß die dünne Schnur, welche unterhalb breitgelegter Haarmaffen und
Unterwärts gestrichener Locken die Stirn des fraglichen Kopfes schmückt, für einen
Bacchus sonst nicht üblich ist. Herr Gerhard machte auf die in der Kunstmythologie
bisher noch fehlende Darstellung des Bienenpflegers Aristaeus aufmerksam, eine mit
dienen auf seinem Körper bedeckte apollinische Jünglingsgestalt aus Erz, welche man
^En neueren Ausbeutungen der Gräber Sardiniens verdankt. Es ward deren Abbil-
dung aus dem seit 1855 erscheinenden Bullettino 8arüo des Kanonikus Spano vor-

oEwgt und die überraschende Wichtigkeit einer solchen aus Cagliari kaum verhofften
Monatsschrift hervorgehoben. Zugleich lagen neue Sendungen des seit längerer Zeit
reichhaltig bewährten Bullettino napoletano vor. — Herr Pano fka nahm Anlaß,
^Ei ganz neuerdings in Nr. 107 dieser Zeitschrift bekannt gemachte merkwürdige
. usenbilder aus Nocera zu besprechen. Er bekannte sich für die rasche Herausgabe
^ner lehrreichen Darstellungen dem thätigen Herausgeber des Bullettino, Herrn Mi-
"Ervini, um so mehr verpflichtet, als beide ein noch nicht ans andern Antiken bis-
^ bekanntes Bild zur Anschauung bringen. — Ein andres schönes und räthselhastes
Erk antiker Skulptur, der sogenannte Kopf der Clytie im brittischen Museum
XII. Nr. 12), welchem ein ganz ähnlicher Marmorkopf im hiesigen Museum

(Nr. 132—284) entspricht, kam ebenfalls wegen seiner individuellen Züge in Rede,
welche Herr von Farenheid, nach neulich er Betrachtung jenes brittischen Marmors
geneigt ist, denen der älteren Agrippina gleichzustellen. — Hr. Adler hielt, mit Bezug
auf Bötticher's Werk „über den Baumkultns der Hellenen", eine» Vortrag über die ge-
heiligten Bäume d er Aegyptier, als welche er, mit Begleitung monumentaler Vor-
lagen, hauptsächlich die Perseaund Tamariske bezeichnete. — Hr. GeschichtsmalerWittich
sprach über die in griechischen Tempelüberresten in Jonien, namentlich beim Apollo-
tempel zu Didymö, auffallende Erscheinung, daß diesen Monumenten nicht das grie-
chische, sondern ein älteres asiatisches Maaß, die königliche Elle und der aus derselben
abgeleitete Fuß, den Messungen nach zu Grunde liegen, welche metrische Einheiten sich
gleichfalls in den Trümmern des Heratempels von Samos erkennen ließen, indem die
Mehrzahl der dem äußeren Peristil angehörenden Säulen einen unteren Durchmesser
von 6 Fuß oder 3ß Ellen hätten, während nur an der Ecksäule, wie bei dorischen
Tempeln gewöhnlich, der Diameter etwas stärker sei und daß daher die verloren ge-
glaubte Sämische Elle sich noch Nachweisen ließe an den Ueberresten des alterthümlichen
Monnments, dessen sehr unbestimmter Baustil leicht von Vitruv so dorisch, wie von
K. O. Müller jonisch genannt werden konnte. Bemerkt wurde hiebei, daß das in
den „Antiquities of Jonia“ abgebildete Volutenkapitäl mit Polstern nur in der Cella
dieses Tempels vorkomme, deren Ausbau erst in die Zeit falle, wo bereits mit Auf-
stellung der ersten vollständig jonischen Säulen^ im Peristil des Dianentempels zu
Ephesus vorangegangen war, während ein anderes, in demselben englischen Werk dar-
gestelltes Schnecken-Ornament nur etwa das Fragment eines Kandelabers sei. Endlich
wurde darauf hingedeutet, daß die wiederaufgefundene Elle von Samos sich völlig
identisch mit der ägyptischen Elle zeige, wie solche als durchschnittliche Stnfenbreite
der großen Pyramide von Gizeh sich sowohl aus den von der großen französischen
Expedition unternommenen Messungen, als auch aus neuerdings vom Colonel Vys«
und Baumeister Perrina gefundenen Maaßen übereinstimmend ergäbe. — Als lite-
rarische Neuigkeiten waren Jahn's „Abhandlung über Wandgemälde der Villa Pam-
fili“, G. Haakh's in der Stuttgarter Philologenversammlung gehaltenen „Vorträge
über die Marmorwerke des Vatikan" und „über römische Attisbilder", ferner ein
reichhaltiges neues Münzwerk von Minervini eingelaufen; auch lagen zu neuer Auf-
munterung der Vervielfältigungen durch Photographie vortreffliche Nachbildungen die-
 
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