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so vielfach an mir getadelt hat, und alles civilisirende Reiben und Putzen,
dem die Menschen heutzutage nolsns volsns unterliegen, nicht gänzlich hat
beseitigen können. — Ich würde mir garnicht erst die Mühe nehmen, der-
gleichen Kindereien dem Papiere anzuvertrauen, wenn ich nicht eben wüßte,
wie sehr die kleinsten Eigenthümlichkeiten in dem Leben „berühmter" Personen inte-
ressiren. — Doch ich komme zu meinen Gegenstände wieder zurück. — Da ich
gesehen hatte, daß kleine Bauernkinder unförmliche Figuren aus Gyps machten,
so sing auch ich an, gern dergleichen zu schneiden; aber, wer sollte es glauben,
bei diesen Arbeiten fügte ich mich gegebenen Regeln. Der Genius offenbarte
sich nicht; der Geist der Neuerung hatte mir vermuthlich sein Gift noch nicht
eingeblasen."

„Nach drei Jahren dieser ländlichen Lehrzeit ungefähr ward ich, von der
Sonne verbrannt, hinreichend abgehärtet, um barhaupts gehen zu können, und
ein ganz unverständliches Patois sprechend, nach Paris zurückgebracht, von
dem ich gar keine Idee mehr hatte. Ich spielte daselbst lange Zeit die Figur,
die ein kleiner Fuchs macht, der bei dem Halse um den Fuß eines Möbels
festgebunden ist."

„Meine arme Mutter, welcher diese Erziehungsmethode in höchstem Grade
mißfiel, gelangte endlich dahin, mich zu zähmen und ein wenig gelittener zu
niachen; auch ward ich dem nnerbitterlichen Latein überliefert. — Während
dieser Jahre kamen mir die Wälder, Brachfelder und Weiden mit einem un-
aussprechlichen Reize in's Gedächtniß zurück; jedesmal traten nur dabei die
Thränen in die Augen."

„Nach und nach bemächtigte sich meiner der Geschmack an Sudelei, der
mich seither nie wieder verlassen hat."

„In der Pension verband ich mich freundschaftlich mit einem sehr artigen,
talentvollen Genossen von sehr glücklichen Gaben und Eigenschaften (Ph ilibert
Bouchot, ganz jung gestorben), und trat, sobald es sich thun ließ, als Zög-
ling bei seinem Vater ein, der ein Maler war. Bouchot gab mir gar
manche gute Lehren; ich verdanke ihm viele nützliche Erfahrungen; ich lernte
bei ihm ein wenig Geometrie, Architektur und Perspective. Dessenungeachtet
verließ ich ihn und ward ausgenommen in das Atelier von Abel de Pnjcl,
den sein treffliches Bild, das „Märthrerthum des h. Stephanus", zu dem Range
unserer besten Künstler erhob. — Anfänglich arbeitete ich sehr gern. Unglück-
licherweise aber war mein Lehrer, zu gut und nachsichtig und von seinen Ar-
beiten zu sehr in Anspruch genommen, wenig geeignet, mir den Nutzen so wie
die Wichtigkeit der Studien begreiflich zu machen, von denen ich nichts weiter
einsah, als ihre Monotonie. Mir ward die Sache zuwider und ich verließ
das Atelier. Ich versuchte bei mir zu Hause einige kleine Bilder. Man
kaufte sie niir ab und seit dieser Zeit war meine Künstlererziehung verfehlt.
Doch verdanke ich sehr viel einem Kunstfreunde, begabt mit der Phantasie
und dem Feuer eines Künstlers, dem Baron von Ivrh, der mich durch seinen
guten Rath und seine erwärmende Begeisterung mehr als einmal von der
Apathie und Unlust befreite, oder vielmehr von der gänzlichen Entmuthigung,
in die ich von Zeit zu Zeit verfiel. Von meinem Auftreten an bis zu seinem
Tode beehrte mich dieser liebenswürdige und hochgestellte Mann mit seiner
wohlwollenden Freundschaft."

„Nach und nach unternahm ich mehre Reisen, zuerst in die Schweiz,
dann in das mittägliche Frankreich, später in die Levante, und zuletzt nach
Italien. Das mittägliche Frankreich liebe ich aber vor Allem. — Ich ver-
suchte verschiedene Genre, im Dunkeln tappend, schwankend, strauchelnd an den
Geleisen und Unebenheiten des Weges, hängen bleibend an den Sträuchen und
Bäumen, welche ihn umziehen. Ohne Richtung, ohne Theorie, gleich einem
Schiffenden ohne Kompas, gab ich es zuweilen auf, das Unmögliche zu er-
reichen. —> Wie durch einen Sprung der Schule David's entkommen, fand
ich mich bloß und hilflos; denn der hochbedeutsamen und unbestreitbaren
großen Eigenschaften dieses Malers ungeachtet, verschlossen mir mein Mangel
aller tiefen Beobachtung, mein Verachten und Vergessen aller Tradition auch
die Zukunft seine Verirrungen „Seht die Natur, Seht die Antike;" eine Un-
terweisungsformel, welche die einfachste Prüfung fast auf eine Lächerlichkeit
zurückführt. Wenn es sich nur darum handelt, die Augen aufzuthun, so
kann es der erste beste Flegel machen; die Hunde sehen es auch. Das Auge
ist ohne Zweifel der Destilirkolben, von dem das Gehirn der Recipient ist.
Allein man muß es verstehen, sich desselben zu bedienen.— Niemand ist
schon Chemiker, der einige Retorten besitzt, man muß die Kun.st zu sehen er-
lernen. Das ist die Theorie von Ingres. Er hat sehr richtig gesehen und
gezeigt, was zu sehen wichtig ist. Seine Belehrung ist von der Art und so
streng wahr und richtig, daß die eigenthümlichsten Organisationen dabei ihre
Rechnung finden müssen. Sein Princip ist so durchaus fundamental und
schöpferisch, daß man es allmälich hat keimen sehen in den Werken seiner hef-
tigsten Widersacher. Ich habe stets bitterlich beklagt, von seinem kostbarem
Unterrichte zu einer passenden Zeit keinen Nutzen ziehen zu können. Ich verstand

und sagte fast die Macht seines Mittels voraus, aber es war schon zu spät,

und nieine Augen, kaum eröffnet dem Lichte.das entsetzliche Unglück,

welchem ich unterliege, hat mich zu Boden geworfen."

„In der Unterweisung hat alle Theorie einen Werth, wenn sie von einem
gerechten Geiste ausgeht. Sie ist der Stab der Blinden. Der Mangel jegli-
chen Grundsatzes allein ist ein Uebel. Jeder Meister geht von einem theo-
retischen Grundsätze aus. Rembrandt war vielleicht der einzige Künstler,
welcher vom ersten Moment an seine Theorie und Praxis zu bilden verstand
ohne Zuthun irgend eines Lehrers. Wenn er auch nicht als der größte Maler
betrachtet werden darf, so doch jedenfalls als der seltsamste."

„Ich versuchte mehre Genres. Als ich die große Skizze „die Niederlage
der Cimbern" ansstellte, und zwar zugleich mit einem „türkischen Wachtposten",
gedachte ich, eine kurze Uebersicht dessen zu geben, was ich zu begreifen oder
anszuführen vermochte. Die Einen, die kleine Minorität, billigten sie in ho-
hem Grad, die Menge aber, die ungeheure Majorität, welche die Gesetze giebt,
konnte nichts weiter darin finden als eine Pfütze, als „gehacktes Fleisch"
um mich des Ausdrucks eines damals berühmten Malers zu bedienen, welchen
heute Frankreich bemitleidet, was ich so einigermaßen schon vorauswußte."

„Was nun die gedruckte Kritik anbetrifft (ich spreche von der, welche man
liest) so hat sie mich immer wie ein verlorenes Kind behandelt, und, meiner
Treu, ich soll noch errathen, warum ich mehr geschont worden bin, als es
mir eigentlich frommt. Nach der Meinung Vieler lebe ich vielleicht auch
nur unerlaubter Weise mit dieser Kritik zusammen. Ich erinnere mich sogar
eines Kupferstichs oder einer Lithographie, dessen Autor mich darstellt,
einem Schrifsteller die Hände fest zusammenbindend, und zwar einem berühmten
Kritiker, den ich unglücklicherweise erst voriges Jahr gesehen und kennen gelernt
habe. Um die Wahrheit zu sagen, ich bin sehr wenig empfindlich gegenüber
den Berichten, abgesehen von den Lobeserhebungen, für die ich, wie alle meine
Mitgenossen, natürlicherweise ganz unersättlich hungrig bleibe."

„Ich glaube nicht einen besonderen Umstand verschweigen zu dürfen,
welcher neunzehn Zwanzigstel in meiner rechtmäßig verdienten Berühmtheit
ausmachte. Die Sucht Thiere zu malen, die mich besaß und mich noch ein
wenig besängt, und zwar die Sucht, Hunde im Allgemeinen, besonders aber
Asien zu malen, hat mich gedrängt, Gemälde auszuführen, auf denen diese
interessanten Thiere Personen abgeben. — Diese kleinen Meisterwerke, repro-
ducirt, — nein, — übersetzt, oder vielmehr erklärt durch den Kupferstich, welche
mir erst meinen Platz angewiesen haben, werden meist dazu dienen, der Nach-
welt die entfernteste und am wenigsten übertriebene Idee von meinem Vermö-
gen und von meinen Leistungen zu geben. So weit ich Affenmaler bin, bin
ich auch wohl berufen dazu. Nur derjenige, welcher seine Popularität fühlt,
weiß sich auch gehörig bezahlt zu machen. Ich führe daher von Zeit zu Zeit
dergleichen aus. — Ich will hier natürlich nicht in die Details meiner Werke
eingehen; für mich ist das eine ungenießbare Nomenklatur, für Andere eine un-
nütze, — überdieß sind die Kataloge vorhanden. — Ich habe von „den Cimbern"
gesprochen, weil dieses Sujet charakteristisch ist für den Weg, den ich einzu-
schlagen gedachte, aber die geringe Ermuthigung, welche ich Anfangs fand,
so wie die Caprice und der Wunsch, Allen zu gefallen, und was weiß ich
sonst, haben mich mehr oder weniger davon entfernt. — Ich blieb eingeker-
kert in meinem Atelier, da Niemand die Initiative ergriff, die Pforten dessel-
ben zu öffnen; und, ungeachtet meines ursprünglichen Widerstandes, wurde
ich so für immer zu dem Staffeleibilde verurtheilt. Mit Verdruß sah ich
alle meine Mitgenossen mit Gemälden an Ort und Stelle (Wandmalereien)
beauftragt. Da war meine Bestimmung, dahin zielte mein innerer Beruf.
Für mich war erst ein Gemälde von Macht und Wirkung ein wirkliches Bild,
ein Staffeleibildchen ist es niemals. Und dennoch forcirte ich meine Natur.
Freilich, die armseligen Dinge, welche mein Genius gebar, waren wenig ge-
eignet, von meiner Phantasie einen höheren Begriff zu geben. Ich fühlte
das, und verbrachte den Tag oftmals mit großen Zeichnungen und Kompo-
sitionen, allein es war umsonst — bestellte man ein Staffeleibildchen, mein
Genius war nicht dabei. Ich unternahm es zwar, allein mit Verdruß, und
legte nach langer Unterbrechung die letzte Hand daran, da einmal das trau-
rige Mißgeschick, dem ich zum Opfer falle, meine Hoffnungen vereitelte."

„Vor ungefähr zehn Jahren stellte ich eine Reihe von lebendig ausge-
führten Zeichnungen aus, mannichfach durch das Verfahren selber, nämlich
„die Geschichte deö Simson." — Ich hoffte zu beweisen, daß ich empfänglich
wäre für Verwickelungen. Diese Kompositionen, auf mancherlei Art verändert
in der Anlage und Wirkung, bildeten doch in ihrer Verschiedenheit ein homo-
genes Ganzes; eine besiegte Schwierigkeit, die vollkommen unbemerkt blieb-
Die Zeichnungen wurden sehr gelobt, zweifelsohne noch über ihr Verdienst;
ein angesehener Kunstfreund bezahlte mir sogar dieselben höchst anständig,
allein weder der Staat, noch irgend einer unserer reichen Männer kamen
auf die Idee, eine Arbeit in dieser Art von mir zu verlangen. Und dennoch
 
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