Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
194

Sein Großvater mütterlicher SeitS war der Erste, welcher das hohe Talent
des kleinen Enkels erkannte und seine große künstlerische Zukunft voraussagte.

Allein dieses freie Landleben erreichte bald sein Ende. Leopold ward in
ein Pensionat in Porrentruy gcthan, woselbst er sich mit Eifer der Leküre
hingab und den Bleistift gänzlich ruhen ließ. Er widmete sich hier mit einer
so anstrengenden Ausdauer seinen Arbeiten, daß er erkrankte und man für
sein Leben fürchtete. Der Vater fand sich daher bewogen, ihn nach la Chaux-
de-Fonds zurückzunehmen und, so gut eS ging, seine Erziehung selbst zu leiten.

Die Zeit war nun gekommen, einen Lebensberuf für ihn zu wählen.
Seine Schwächlichkeit und Kränklichkeit war hiebei besonders zu berücksichtigen.
Man bestimmte ihn endlich für den Handelsstand und brachte ihn in ein Ge-
schäft nach Averdun. Allein das triviale Handels- und Geldwesen war dem
poetischen Knaben sehr bald höchlichst zuwider. Der Vater gab den lauten
Klagen des Sohnes endlich Gehör, nahm ihn aus dem Kaufladen in Uverdun
zurück und übergab ihn den Girardet's in Locle, welche theils als aus-
übende Künstler, Maler und Kupferstecher, theilS als Kunst- und Buchhändler
sich eines Rufes in der französischen Schweiz erfreuten. Zwei Brüder dieses.
Namens widmeten sich später ganz der Kupferstecherkunst, nämlich Abraham
Girardet, vornämlich bekannt durch seinen „Triumph des Augustus", und
Karl, der sich in Paris niederließ, den jungen Robert zu sich nahm und
in der Kupferstecherkunst unterrichtete. Wenn nun auch Karl Girardet kein
ausgezeichneter Künstler war- und die Zöglinge überhaupt in solchen Fällen
bestenfalls nur das Lernen lernen, so genoß Leopold wenigstens doch des
Glückes, sich ganz nun dem Berufe widmen zu können, für welchen ihn die
Natur bestimmt hatte. Die eigene Erkenntniß und Selbstthätigkeit muß in
Allem das Meiste und Beste thun und ist vornämlich iu der Kunst die Quelle
aller Auszeichnung. Der berühmte Schweizer, d. h. der in der Schweiz ge-
borne Kuvferstecher Abraham Raimbach, berühmt durch seine Stiche nach
David Wilkin, sagt sehr richtig in seinen „memoirs and recollections“ —
„all true excellence in art is, in my humble opinion, to be ehiefly attri-
buted to an early conviction of the inadequacy of all means of impro-
vement, in comparison with that of s elf-ac q ui red Knowledge.“—•

Girardet unterwies also unseren Leopold in den Elementen der Kupfer-
stecherkunst, ließ ihn nach der Natur zeichnen in der Akademie der schönen
Künste und gab ihn später in das Atelier David's, welches damals gleich-
sam wie ein zweites Athen gefeiert wurde. David war ein viel zu bedeu-
tender, schöpferischer, ideeller Künstler, als daß er die ihm anvertrauten Zög-
linge bloß mit Modellzeichnen geplagt hätte, diesem wesentlichen Hilfs- und
Auskunftsmittel aller Hohlköpfe von Professoren; nein, er unterwies
sie vornämlich im freien Komponiren, lehrte sie die ästhetischen Prinzipien
der Zeichnung, begeisterte sie für ihren Beruf, indem er das weite Reich der
Schönheit in der Natur, wie in der Kunst ihnen aufschloß, und zeigte ihnen
besonders, wie und warum in der Antike die Kunst ihre höchsten Triumphe
feiere. Dabei gewährte er seinen Jüngern vollkommene Freiheit und verstand
vor Allem, das Geheimuiß des angeborncn Genies sogleich zu erfassen und
an das Tageslicht zu freier Entfaltung und Ausbildung zu fördern. So
wenig wie er nachgeahmt werden wollte, so wenig stellte er auch die alten
Meister als alleinige Muster hin. „On peut etudier les maitre“, sagte er
oftmals seinen Schülern, „wais c’e8t la nature seule qu’il faut 8 ui vre.
On se fait toujours soi-meme. Je veux vous preparer pour vous,
suivant votre nature, et non contre nature.“ —

Unter einem solchen Meister machte Leopold, sich für jetzt noch ganz der
Kupferstecherknnst widmend, bedeutende Fortschritte und erwarb sich als Mensch
wie als Künstler in hohem Grade seine Achtung und Liebe, so daß ihn David
immer „son jeune Leopold" nannte. Girardet verließ nun Paris und
kehrte in sein Vaterland zurück. Robert blieb nun allein unter der Aegide
David's in Paris zurück, nahm im Jahre 1814 au der Preisbewerbung
Antheil und erhielt den zweiten großen Preis für seinen Kupferstich. Den
ersten empfing sein Landsmann Karl Förster aus Locle. In dem Atelier
David's schloß Robert einen innigen Freundschaftsbund mit zwei nachmals
berühmten Künstlern, mit Navez aus Brüssel und mit Schnetz aus Paris.

Zwei Jahre darauf nahm Robert wieder an der Preisbewerbung An-
theil, hoffend, den ersten großen Preis und mit ihm die Pension für Rom
davonzutragen, allein der Sturz des Kaisers Napoleon vereitelte all' sein
Mühen. Nenfchatel ging auf Preußen über, Robert hörte somit auf, ein
Franzose zu sein, und ward im März 1816 von der Liste der Konkurrenten
in Paris gestrichen. Ein doppelt harter Schlag. — Was konnte ihm Preußen
im Vergleich zu Frankreich bieten? — Umsonst bemühte sich Gerard für
Robert bei Laine, dem Minister des Innern, allein so schmerzlich es diesem
selbst war, die Ausschließung Robert's mußte aus politischen Rücksichten
aufrecht erhalten bleiben. Robert verlor für diesen Augenblick Alles, ein
großes, herrliches Vaterland, die Frucht mehrjähriger Anstrengungen, die

Aussicht auf glänzenden Erfolg unter einem kunstsinnigen, genialen Volke,
die Gegenwart voller Freunde, Lehrer, Drittel. — Verzweiflungsvoll legte er-
den Grabstichel nieder, für dessen Verwerthung er in Preußen jetzt gar keine
Aussicht hatte, und ergriff den Pinsel, allein die bourbonische Reaktion des
Jahres 1816 entzog ihm sogar noch seinen Freund und Meister, David, der
in das Exil verwiesen wurde; eine Reaktion, gebrandmarkt von der Verach-
tung aller Edeln. — So schloß sich ihm denn für immer die Stätte der Kunst
und der Heerd eines Künstlers, der ihm Freund, Meister, Vater gewesen
war. — Schwer gebeugt wänderte der arme Zögling in das Atelier von
Gros, blieb jedoch nicht lange Zeit daselbst, und kehrte seinem großen, schönen
Vaterlande gebrochenen Herzens den Rücken, um sich in dem treuen Schooße
seiner Famile von all' diesen schweren Schicksalsschlägen zu erholen.

Seine Beschäftigung bestand nun meistentheils in der Portraitmalerei,
die er in seiner entnationalisirten Heimath während etwa eines zweijährigen
Aufenthaltes mit Eifer und Erfolg übte. Unter diese derzeitigen Werke ge-
hört sein eigenes Bildnis;, im Besitze seiner Schwester, Madame Huguenin-
Robert in la Chanx-de-Fonds.

In dieser Prüfungszeit erschien ihm wie ein tröstender Genius Roullet
de Mezarac, ein begüterter Kunstfreund, rückkehrend aus Italien, woselbst er
längere Zeit geweilt hatte. Rom war für ihn ein Ideal von Künstlersitz.
Er schilderte beredt unserem Robert alle Reize und Vorzüge desselben und
malte ihm mit glänzenden Farben aus, welcher Ruhm ihm von den italischen
Gefilden her erblühen würde. Allein die Erwerbsquelle unseres jungen Künst-
lers floß äußerst sparsam, und die Mittel seiner Familie waren durch seinen
sechsjährigen Aufenthalt in Paris erschöpft. Ja, Robert erklärte sogar in
einem seiner Briefe, daß er lieber die Pflugschaar ergreifen wolle, als die
Liebesopfer seiner Familie länger in Anspruch zu nehmen. Anfänglich hoffte
er einen Augenblick, durch Vermittelung der Humboldt's von der neuen preußi-
schen Regierung einige Mittel zu einer Studienreise nach Italien zu erhalten,
allein diese Hoffnung schlug gänzlich fehl. Er wendete sich sogar in einem
Schreiben vom 6. September 1817 an Gerard und theilte ihm seine Be-
sorgnisse wie seine Hoffnungen mit. Auch Herr von Sandoz-Rollin bot seinen
Einfluß auf für unseren Robert, allein Alles war vergeblich. Bei der
Preußischen Regierung war nichts für ihn zu erübrigen. —

Je gefühlvoller, empfindsamer Leopold war, um so mehr nahm er sich
alles Dies zu Herzen. Sein ernster, zu einer träumerischen Beschaulichkeit
sich hinueigender Sinn nahm mehr und mehr das düstere Kolorit der Me-
lancholie an, wofür besonders mehre Briefe an seinen Verwandten, den Me-
dailleur Brandt in Berlin, sprechen.

Doch das Schicksal, welches Robert so vielfache Wunden geschlagen
hatte, ersparte wenigstens seinem edeln, echtfranzösischen Herzen den Schmerz,
von einer fremden Regierung eine Unterstützung zu empfangen und somit
gleichsam iu ein Abhängigkeitsverhältniß zu ihr zu treten. — Was ihm
die Regierung versagte, das gewährte ihm unerwartet jener einzelne edle
Kunstfreund, Herr von Mezerac, an den sich Brandt gewandt hatte, ihm
die ganze Lage Robert's offen mittheilcnd, indem er ihn für einen drei-
jährigen Aufenthalt in Italien großmüthig ausrüstete. — „Enfin, mon
eher“, schreibt er freudig an Brandt unter dein 30. April 1818, „wutes
mes inqnietudes se dissipent: je vais partir!“ — „Maintenant tout
sourit: l’espoir d’une heureuse reussite se presente ä moi; j’aspire a
de nouvelles etudes, et il me semble que ce sentiment est l’avant-coureur
des progres.“ —

Sein Grabstichel, den er nun niederlegte, hatte weder viele noch sehr
werthvolle. Arbeiten geliefert. Außer seinen beiden Konkursblättern sind nur
anzuführen das „Portrait der Madame David", der Gattin des berühmten
Künstlers, seines Lehrers und Freundes, nach einem Gemälde von ihm selbst;
das „Portrait Friedrich Wilhelm III." von Preußen, nach Gerard; ein kleines
„Portrait des Herrn von Pourtales"; eine „ländliche Scene", Nachtstück; „die
Schlacht von Sempach", vollendet von Karl Girardet; und noch ein „Por-
traitchen Friedrich Wilhelm III." für die „Essai statistique sur le canton
de Neufchätel par de Sandoz-Rollin.“ Anfänglich war er Willens, in
Italien einige Bilder Rafael's zu stechen, allein er stand gänzlich davon ab
und widmete sich, einmal daselbst heimisch geworden, ganz der Malerei und
ihrem Studium.

Der Aufenthalt in Rom erfüllte ihn mit einem verjüngenden Lebensfeuer.
Italien, die „terre promise“, wie er es nannte, erweckte sein ganzes künst-
lerisches Bewußtsein. — „C’est de Rome que je t’ecris“, schreibt er unter
dem 19. Juli 1818 an Brandt, „et ee n’est pas un reve! Quel sejour
enchanteur! Quel paradis pour un artiste! Ah! eher ami, je n’ou-
blierai jamais que je te dois ce bonheur, Tout fait naitre en moi des
sentimens inconnus, delicieux.“ —

Die angestrengte Thätigkeit, deren sich Robert gleich nach seiner An-
 
Annotationen