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Eggers, Friedrich [Editor]
Deutsches Kunstblatt <Stuttgart>: Zeitschrift für bildende Kunst, Baukunst und Kunsthandwerk ; Organ der deutschen Kunstvereine &. &. — 5.1854

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https://doi.org/10.11588/diglit.1198#0367
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Zeitschrift

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Kunstblatt.

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Deutschland.

Unter Mitwirkung von

Kugler in Berlin — PassavanL in Frankfurt — Waagen in Berlin — Wiegmann in Düsseldorf — Schnaufe

in Berlin — Förster in München — Eiielberger v. Edelberg in Wien.

Migirt m /. Eggers in Mlin.

M 40.

Donnerstag, den 3. Oetober.

1834.

Inhalt: Die Berliner Kunstausstellung. — Die allgemeine deutsche Gemälde-Ausstellung in München. III. — Studien über Berlins bürgerliche Baukunst.
Bon W. Lübke. (Schluß.) — Zeitung. Stuttgart. Dortmund.

Literatur-Blatt Nr. 20.

Die Derliner Kunstausltellung.

Obwohl man allgemein weiß, daß die Ausstellungen nur einen
kleinen Bruchtheil des künstlerischen Lebens der Gegenwart reprä-
sentiren, obwohl namentlich die Werke von monmnentaler Bedeutung
selbstverständlich davon ausgeschlossen sind, so wird eine Ausstellung,
zumal in einer Stadt wie Berlin, doch immerhin der Betrachtung
ein maunichsaltiges Interesse darbieten. Wir haben hier einen Spie-
gel des geistigen Lebens, der Geschmacks- und Sinnesrichtung des
Publikums vor Augen, wie er treuer nicht gewünscht werden kann.
Dieser Spiegel zeigt uns aus der diesjährigen Berliner Ausstellung
ein nicht eben erfreuliches Bild. Viel Technik, aber wenig Geist,
viel Aeußerliches, aber wenig Innerliches, viel bunter Farbenschim-
mer, aber sehr selten ein Gedankenblitz, — mit Einem Worte viel
Schein, aber wenig Seele, das ungefähr ist bis jetzt der Total-
Eiudruck.

Allerdings kann derselbe durch einige Nachzügler noch modifi-
cirt werden; aber ganz aufzuheben ist er um so weniger, als der-
selbe Grundton, wenn auch in geringerem Grade, schon bei den
vorigen Ausstellungen sich kund gab. Wir wollen nicht davon spre-
chen, daß Schöpfungen eines tieferen Gedankeninhaltes immer sel-
tener werden; geht das Publikum, und mit ihm die Mehrzahl der
Künstler einmal dem realistischen Zuge nach, der heutzutage so sehr
im Schwünge ist, so wollten wir auch dagegen nichts Erhebliches
erinnern, wenn nur auch eine recht gründliche, gewissenhafte, in die
Tiefe dringende Auffassung und Behandlung der Wirklichkeit sich
zeigte. Aber nicht allein, daß man die ideale Stellung der Kunst,
die Fähigkeit und die Pflicht ans zufälligen vereinzelten Anschauun-
gen eine höhere, allgemeinere Wahrheit zu gewinnen und schöpferisch
zu gestalten, größtentheils anßer Augen läßt: auch an die concrete
Welt der Erscheinungen weiß man sich zumeist nicht mit einer sol-
chen Liebe hinzugeben, die allein im Stande ist, den Dingen mehr
als ihre Oberfläche abzuschreiben, sondern sie im Kernpunkte ihres
Wesens, in der Fülle und Tiefe ihres Organismus zu ergreifen.

Die Vorgänge des alltäglichen Daseins, die mannichfaltigen

V. Jahrgang.

Gestalten, welche das Leben auf seine Oberfläche wirft, nimmt man
nur irr der flachsten Weise auf; man verlernt oder versteht es nicht
Charaktere zu schaffen und diese aus der innern NothWendigkeit ihres
Wesens handeln zu lassen. Aehnlich verhält es sich mit der Land-
schaft. Von einem tiefpoetischen Erfassen der Natur, von einem ver-
ständnißinnigen Eingeherr auf ihre Stimmungen weiß man wenig.
Man begnügt sich gewöhnlich, sie schlechthin, wie gerade die Gele-
genheit sich bietet, zu porträtiren, und selbst dabei weiß man nur
in seltnen Fällen sich wirklich mit treuer Hingebung ihrer Formen
zu bemächtigen: statt ihrer lebendig charakteristischen Sprache bietet
man conventionell gewordene Phrasen dar.

Noch etwas Anderes kommt hinzu. Weit entfernt, immer und
immer wieder von Neuem, wie alle großen Meister unermüdlich
gethan, das Leben, die Natur selbst zu studiren, bis in die geheim-
sten Winkel zu ergründen, entlehnt man eine schon anderweitig aus-
geprägte Manier, die doch nur als Resultat der Auffassung des'
einen Individuums, welchem sie angehört, Geltung und Berechtigung
hat, und entfernt sich in: geistlosen Handhaben des geistigen Eigen-,
thnms Anderer immer weiter von der einzig wahren Quelle künst-
lerischen Schaffens. Weil man zu lässig ist, selbständig einen lau-
gen, beschwerlichen Entwicklungsgang des Studiums durchzumachen,
an dessen Ziele erst die reife Frucht eines durchgebildeten Styles
winkt, nimmt man die Ergebnisse fremdartiger Bestrebungen vorweg
und glaubt einen Styl haben zu können, ehe man Studien ge-
macht hat.

Tragen diese Faktoren vereint dazu bei, derjenigen Kunst, die
wir hier in: Auge haben, den Stempel geistloser Oberflächlichkeit
auszuprägen, so dürfen wir dabei freilich nicht vergessen, wie sehr
dieser Grundzug in den Künstlern durch eine-gewisse Richtung un-'
serer Zeit bedingt und begünstigt wird. In dem universellen Rin-
gen der Gegenwart, in dem athemlosen Sturmgange des industriel-
len Lebens, das unsre Tage beherrscht, schwindet mehr und mehr
die Fähigkeit zur liebevollen Hingebung an das Einzelne. Die Kunst
selbst, aus ihrer beschaulichen Innerlichkeit aufgeschreckt, fühlt sich
verwirrt durch das rastlose Treiben um sie her, und wer da nicht
Kraft genug in sich trägt, wie ein in der Tiefe wurzelnder Fels

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