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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 10.1902

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Rilke, Rainer Maria: Sonderheft: Heinrich Vogeler - Worpswede
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https://doi.org/10.11588/diglit.6695#0041
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R. M. Rilke: Heinrich Vogelcr — Worpswede.

323

HEINRICH VOGELER—WORPSWEDE.

Kenntnis eines Materials führt zu der Er-
fahrung, dass keine Stelle daran leer ist und
jede anders als die nachbarliche, dass es
keine Pausen und Lücken und Verlegen-
heiten, sondern nur Ausdruck gibt, und dass
in diesem Reichtum, in diesem Überfluss
der grosse Zauber schöner Dinge beruht
und ihre Bedeutung für das Leben.

Die Erfahrungen, die Heinrich Vogeler
an Silber und an Glas gemacht hatte, be-
stätigte ihm, als er ihn mit neuen Augen
sah, sein wachsender Garten, der dieselbe
Fülle von Farben und Formen aufwies, wie
irgend ein kostbares Ding. Um das ganz

1902. vn. 4.

»Mai-Morgen*. Oel-Gemälde.

zu begreifen, muss man wissen, wie das
feuchte Klima dieses Landes auf alles ein-
wirkt, wie kein Stück Holz an einem
Bretter-Zaun farblos und fahl bleibt, wie
unter dem Einfluss des Regens seine Adern
aufleuchten, oder wie es beschlagen mit
rauchigem Grün und übersponnen von den
Fäden seltsamer Flechten wie mit Stücken
von alten Altardecken und Mess-Gewändern
bezogen scheint. Da kann man auf dem
kleinsten Fleck seine Augen ruhen lassen,
gewiss, eine Unmenge formaler und farbiger
Anregungen zu empfangen. Hier, auf den
Stämmen seiner Bäume oder auf irgend
 
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