Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 10.1902

DOI Artikel:
Fuchs, Georg: Zeitgemäße Betrachtungen zum Hamburger Wettbewerb
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.6695#0075
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zeitgemässe Betrachtungen zum Hamburger Wettbewerb.

357

BRUNO SCHMITZ UND CHRISTIAN BEHRENS—BERLIN.

aufsteigen, zu betonen, wie sie Phidias mit
seiner Athene Promachos auf der Akropolis
von Athen bereits in vollendeter Bildung zur
Geltung brachte. Denn auch dieses Götter-
bild sah der Seefahrer bereits golden herüber-
leuchten, wenn er um das Vorgebirge Sunion
segelte. Auch finden wir bei Hundrieser
eine sehr richtige Wertschätzung für die rein
physischen Qualitäten des Materials und dessen
Massen; denn auchinungeheueren,wuchtenden
Massen liegt etwas Aesthetisches, wie uns
die Pyramiden der alten Ägypter noch heute
beweisen. Hundrieser will seinen Sockel
nur aus vier ungeheueren Quadern bilden,
deren grösster, in der Mitte, allein etwa
450 cbm fassen und somit etwa 28000 Centner
wiegen dürfte. Auf diesen Stein wollte er
dann den Namen des Helden meisseln, in
der bestimmten Hoffnung, dass er ewige
Zeiten auf dem Berge liegen würde; — darin
würde er sich wohl kaum getäuscht haben.

Denselben Eindruck von der Macht des
»genius loci«, der höheren, ethischen Zweck-
mässigkeit haben wir aber noch viel stärker
angesichts des einen Entwurfes von Wilhelm
Kreis: jenes wuchtigen Ruhmes - Tempels,
der aus einer religiösen Kraft des Empfindens

Gesamt-Ansicht nebenstehenden Entwurfes.

erwachsen zu sein scheint. Es bedarf keines
sonderlichen Aufwandes an kunsthistorischer
Gelehrsamkeit und Scharfsinn, um zu be-
merken, dass dieses »Heldengrab« — denn
die Idee des monumentalen Kenotaphes hat
dem Künstler ganz sicher vorgeschwebt —
im Äusseren mehr von antiken, im Inneren
mehr von romanischen, vielleicht gar
byzantischen Mustern beeinflusst ist. Aber
daran möchte ich diejenigen erkennen,
welche die Zeichen der Zeit und des
wieder erwachenden geistigen Lebens wahr-
nehmen und deuten, vielleicht mehr voraus-
spürend und ahnend, denn sehend und
wissend, daran, dass sie auch durch die Hülle
alter Formen das wachsende, unablässig
empordrängende Leben fühlen. Diese alter-
tümlichen Formen, von unseren Bauräten
und Professoren unzähligemal angewandt,
reden hier doch eine ganz andere Sprache
als das hohle Pathos jener, ja sie werden da
und dort durch neue Bildungen unterbrochen,
indem der Künstler für das, was er sagen
wollte, im ererbten Vorrate kein Gefäss fand.
Da schuf er neu. Er ist weder ein antiker
Heide, noch ein mittelalterlicher Christ, und
doch wohnt ein Religiöses — mindestens eine
 
Annotationen