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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 10.1902

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Fuchs, Georg: Zeitgemäße Betrachtungen zum Hamburger Wettbewerb
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https://doi.org/10.11588/diglit.6695#0080
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362 G. Fuchs: Zeitgemässe Betrachtungen zum Hamburger Wettbewerb.

kulturwidrigen Banalitäten zu Tage getreten,
und wenn wir die strengsten Maßstäbe an-
legen, so wird auch an den ausgezeichneten
Entwürfen nur Vereinzeltes bestehen. Doch
darf man um dessentwillen die symptomatische
Bedeutung dieser ganzen Veranstaltung und
ihres Ergebnisses nicht falsch, nicht zu gering,
nicht zu unzeitgemäss einschätzen.

Wir sagten schon: es ist kein Wunder,
dass diese Anzeichen gerade in der grossen
alten Hansa-Stadt Hamburg so weithin sicht-
bar erschienen sind. Hamburg hat eine
eigene Kultur und eine gewisse Tradition;
je höher auf den vorhandenen Grundlagen
das Niveau emporsteigt, um so mehr nähert
es sich der Lebens-Höhe, wo die Kunst not-
wendig, selbstverständlich wird. Es ist an
sich schon künstlerisch, wenn eine gewaltige
Handels-Metropole den Gedanken fasst, der
in dem »Bismarck-Roland« ausgesprochen
wird — die Form braucht diesem hohen,
pathetischen Gedanken nur recht prall auf
dem Leibe zu sitzen, ihm recht eng »angepasst«
zu sein — und ein Werk von ewiger Gültig-
keit wäre entstanden! Und noch einmal:
es ist kein Zufall, dass diese Wunder und
Zeichen gerade von Hamburg her in das
Reich hinaus leuchten.
Sie haben dort einen
Grund: alte, nie unter-
brochene, durch nahe
gerücktes englisches
Beispiel angeregte
Hansa-Kultur. Es ist
eben so wenig ein
Zufall, dass gerade
diese Stadt - Republik

architekt william
müller in berlin.
bismarck-denkmal.

ein Oberhaupt hat, das, wie die Rede bei dem
Bankett der Preis - Richter bezeugt, diesen
Fragen Verständnis entgegenbringt, und es
ist eben so wenig ein Wunder, dass gerade
Hamburg die Ausgestaltung seiner Räume
auf der Turiner Ausstellung Peter Behrens
übertrug und dass gerade dieser — ein
Hamburger ist. —■ Wie überflüssig er-
scheinen angesichts solcher Thatsachen jene
etwas schulmeisterlichen Bemühungen der
Kunst-Propaganda und absichtlichen Kunst-
Pflege, die neuerdings von den Wohl-
meinendsten unternommen werden. Dieses
ästhetische Samaritertum ist ohnmächtig, ja
es ist ein wenig komisch. Ich glaube, diese
»Innere Kunst-Mission« hat auch in Hamburg
selbst einige Apostel und Anhänger. Möchte
man nun allmählich begreifen, dass es nicht
sowohl darauf ankommt, dem Volke, dem
»Publikum« ein Kunst-Interesse und Kunst-
Bedürfnis pädagogisch-künstlich anzuzüchten,
sondern einzig darauf, die grossen Macht-
Fragen im religiösen, politischen, wirtschaft-
lichen Leben so zu entscheiden, dass das
Kultur-Niveau fortgesetzt steigt, sich an
grossen, strahlenden Brennpunkten sammelt
und dort in überschäumender Fülle über
sich hinaus einen ab-
schliessenden Aus-
druck sucht: die künst-
lerische Form als seine
letzte Notwendigkeit. —
Aber vielleicht ist es
noch zu früh, von sol-
chen künftigen Dingen
öffentlich zu reden.
Georg Fuchs-Darmstadt.

lowe und bildnis-relief
des auf s. 358 abgebild.
konkurrenz - entwurfes.
 
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