Renaissance - ein Programm für die Zukunft deutschen Lebens.
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Kenntnis vermitteln! Es geht niemand
etwas an, wofür der Denker Soundso
und der Dichter Soundso arbeitet und
was er arbeitet. Um Gottes und des
Segens der Arbeit willen mögen sie
es thun. Sie sollen es thun, weil sie
es thun müssen und es sonst lassen.
Wird durch »Verständnis« ein Genie
gezüchtet?! Dem Volk seine Augen,
seine Ohren, seine Sinne, sein Recht
wiedergeben! Hier greift ein, die ihr
Lehrer des Volkes sein wollt! Haben
wir solche überhaupt? Sind sie nicht
alle unfrei, bildungssatt, wissensvoll —
Staats - Vertreter! Ist ihr einziges
Sehnen: stark zum vollen Leben zu
machen, und zu beglücken? Dumpf
vegetiert das Volk; es muss ein Leben
für sich führen. Hier ist die Quelle
unserer Erneuerung. Wer hier den
Weg energisch bis zu Ende geht, hat
mehr gethan, als Künstler und Dichter
thun können. Er hat das gethan, was
not thut. Damit schafft er denn zu-
gleich die Lebens-Bedingungen für die
echten Künstler.
Alles andere — dagegen betrachtet
- ist klein und Flickwerk. Man dient
keiner »Bildung«, wenn man dem Volk
in äusserlicher Weise etwas zugänglich
macht; dies Streben, diese Manie ist
nur eine Folge der Überproduktion,
ein Zeichen grosser Konkurrenz, wo
die Anpreisung notwendig wird. Und
so ist denn die Verbreitung von
»Wissen« meist: Anpreisung, Markt.
Was wir also vor Augen sehen: auf
der einen Seite eine Kluft, die sich
immer mehr vergrössern muss; ein
Schreck-Gespenst verscheucht hier alles
Leben und dörrt alle aus, die hier
nahen: Bildung. — Auf der anderen
Seite ein langsames, freudiges Heran-
reifen zu einem ganzen, vollen, unbe-
wussten Leben, einem Leben in Kampf,
Widerspruch und sieghafter Freude.
Wir haben zu wählen.
Dumpf vegetiert das Volk; in
vollständiger Ablehnung einmal, dann
wieder in sklavischer Hinnahme alles
alfonso canciani—wien. »Die Somnambule
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Kenntnis vermitteln! Es geht niemand
etwas an, wofür der Denker Soundso
und der Dichter Soundso arbeitet und
was er arbeitet. Um Gottes und des
Segens der Arbeit willen mögen sie
es thun. Sie sollen es thun, weil sie
es thun müssen und es sonst lassen.
Wird durch »Verständnis« ein Genie
gezüchtet?! Dem Volk seine Augen,
seine Ohren, seine Sinne, sein Recht
wiedergeben! Hier greift ein, die ihr
Lehrer des Volkes sein wollt! Haben
wir solche überhaupt? Sind sie nicht
alle unfrei, bildungssatt, wissensvoll —
Staats - Vertreter! Ist ihr einziges
Sehnen: stark zum vollen Leben zu
machen, und zu beglücken? Dumpf
vegetiert das Volk; es muss ein Leben
für sich führen. Hier ist die Quelle
unserer Erneuerung. Wer hier den
Weg energisch bis zu Ende geht, hat
mehr gethan, als Künstler und Dichter
thun können. Er hat das gethan, was
not thut. Damit schafft er denn zu-
gleich die Lebens-Bedingungen für die
echten Künstler.
Alles andere — dagegen betrachtet
- ist klein und Flickwerk. Man dient
keiner »Bildung«, wenn man dem Volk
in äusserlicher Weise etwas zugänglich
macht; dies Streben, diese Manie ist
nur eine Folge der Überproduktion,
ein Zeichen grosser Konkurrenz, wo
die Anpreisung notwendig wird. Und
so ist denn die Verbreitung von
»Wissen« meist: Anpreisung, Markt.
Was wir also vor Augen sehen: auf
der einen Seite eine Kluft, die sich
immer mehr vergrössern muss; ein
Schreck-Gespenst verscheucht hier alles
Leben und dörrt alle aus, die hier
nahen: Bildung. — Auf der anderen
Seite ein langsames, freudiges Heran-
reifen zu einem ganzen, vollen, unbe-
wussten Leben, einem Leben in Kampf,
Widerspruch und sieghafter Freude.
Wir haben zu wählen.
Dumpf vegetiert das Volk; in
vollständiger Ablehnung einmal, dann
wieder in sklavischer Hinnahme alles
alfonso canciani—wien. »Die Somnambule