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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 10.1902

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Fuchs, Georg: Mackintosh und die Schule von Glasgow in Turin
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https://doi.org/10.11588/diglit.6695#0297
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Mackintosh und die Schule von Glasgow in Turin.

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( HARLES RKX.NIK MACKINTOSH — CI.ASCi i\V.

Sessel und Sekretär.

wo er weniger von äusseren Umständen
und den barbarischen Einflüssen des Aus-
stellungs - Unwesens beeinträchtigt seinem
Genius folgen konnte. Hierzu bietet sich
uns sein köstlich gezeichnetes und koloriertes
Werk »Haus eines Kunst-Freundes«., welches
als II. Mappe in der von Alexander Koch
herausgegebenen Serie -»Meister der Innen-
Kunst« erschienen ist. Diese seltsame Folge
der merkwürdigsten Architekturen und
Interieurs wird von Hermann Muthesius
eingeleitet mit einem Essay, in welchem das
Wesen dieser Kunst in folgenden knappen
Sätzen so trefflich zusammengefasst wurde,
dass man zögern muss etwas hinzuzufügen:
»Unsere dekorative Kunst der letzten Jahr-
zehnte war in ihrer Zersplitterung, in der
Vielheit und dabei Verschwommenheit ihrer
Ziele verworren und karakterlos. Dies rief
nach den Gesetzen der Wechselwirkung das
Bestreben wach, eine höchst straffe, beschränkt-

einheitliche, herb-strenge Kunst zu ent-
wickeln. Sie tauchte an verschiedenen Orten
gleichzeitig auf. Und so haben wir auch in
dieser Glasgower Formenwelt plötzlich fast
ein Übermaß von Karakter, eine fast drückend
wirkende Architektonik. Die Gerade, be-
sonders die Senkrechte, ist zum Prinzip er-
hoben und reckt sich so hoch heraus, dass
sie fast geisterhaft wirkt. Wo eine Kurve
auftritt, ist ihr eine solche Furchtsamkeit
eigen, dass sie sich nur wenig heraus wagt.
Jeder Anfall von Weichheit wird durch eine
unheimliche Vervielfachung von Senkrechten
aus dem P'elde gepeitscht. Starr und fast
spukhaft recken sich die Glieder in knochiger
Eckigkeit. Eine äusserste architektonische
Gesetzmässigkeit wird durch eine fast über-
triebene Steigerung der Wiederholung gleicher
Glieder angestrebt — Soweit das Gerippe
dieser Kunst, ihre männliche Seite. Sie hat
aber auch eine weibliche, die fast ebensosehr
 
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