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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 11.1902

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Fuchs, Georg: Die Wohn-Räume der Deutschen Abteilung der Turiner Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6694#0070

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Die Wohn-Räume der Deutschen Abteilung.

5'

Spiegel
im So Ion.

erzwingen sich
den neuen Stil,
denn sie sind
anderer Art,
als die Notwen-
digkeiten, aus
denen die alten
und fremdlän-
dischen Stile
entstanden. —
Es kam nur
darauf an, dass
der Begabte
sich dem Zwange dieser Notwendig-
keiten nicht entzog. Wie wirksam aber
diese Notwendigkeiten für die Stil-
bildung sind, zumeist ganz unvermerkt,
das sehen wir fast tagtäglich in der
Baukunst. Nicht selten will der Ar-
chitekt ein Gebäude ausdrücklich im
strengsten Karakter eines alten Stiles
durchführen. Er entwirft nach be-
rühmten Mustern. Sobald es jedoch
zur praktischen Ausführung kommt,
machen sich tausend Dinge geltend,
mit welchen man in der Zeit, da die
ehrwürdigen Muster entstanden, nicht
zu rechnen hatte: Eisen-Konstruktionen,
elektrische und Geleise-Anlagen, Schau-
Fenster, Fahrstühle u. s. w. Der stil-
gerechte, altmeisterliche Entwurf lässt
sich dagegen nicht durchsetzen. Was
geschieht? Sehr oft weiter nichts, als
dass der Architekt, der es für eine
Tod-Sünde hält, die mustergültige Re-
naissance anzutasten, die Fassade ohne
Rücksicht auf Zweck und Struktur des
Hauses als Kulisse davorstellt. Er
verleugnet die Konstruktion, er ver-
leugnet den Zweck, er verleugnet das
Leben. So entstehen jene Paläste, in
denen man Kavaliere und Edelfrauen in
Samt und Brokat und lautenspielende
Pagen vermutet, während darinnen
thatsächlich vielleicht mit Margarine
gehandelt wird. In den meisten Fällen
entschliesst sich der Architekt im
Interesse der Brauchbarkeit in vielen
Stücken von Dem abzuweichen, was
ihm die alte Stil-Vorlage vorschreibt.

Und nun kommt es nur auf ihn an. Es ist
nicht ausgeschlossen, dass unter diesem
Zwange da etwas neues geschaffen wurde,
wo man allen Eifers bemüht gewesen war,
nur nachzuahmen, und dass mancher
»moderne« Architekt ein moderner »malgre
soie« ist. Und kann man das schon in der
Bau-Kunst bemerken, deren Entwickelung
so schwer und träge voranschreitet, um so
mehr in der Kunst der Wohnungs - Aus-
stattung. So treibt also das heimatliche,
moderne, lebendige Bedürfniss zum heimat-
lichen, modernen, lebendigen Stile. Es ist

liEKKH. l'ANKOK.

Nippes-Schrank.
 
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