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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 11.1902

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Fuchs, Georg: Die Belgische Abteilung auf der Turiner Ausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.6694#0167

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Georg Fuchs—Darmstadt :

V. HOK'l'A—BRÜSSEL.

Ausstellun^s-Saal in der Belgischen Abteilung zu Turin.

dienst würde vielleicht grösser gewesen sein,
wenn die Abteilung kleiner wäre. —

Belgien ist in mehr als einer Hinsicht
das modernste Land Europa's. Ein in's
Kolossale entwickelter, rücksichtsloser In-
dustrialismus und, durch diesen hervorgerufen,
ein ebenso radikaler Sozialismus. Dagegen
sind aber auch noch die alten, tiefen mysti-
schen Traditionen dieses wunderbaren Landes
der Legenden, heiligen Meister und frommen
Sänger lebendig. Mit magischen Strahlen
ergossen sie sich noch in diesem Sommer
von Brügge über die ehrwürdigen vlämischen
Gaue, als dort die Ausstellung alter Meister
andachtsvolle Pilger aus aller Welt herzu-
wallfahrten Hess. — Und daneben das Leben
in den wimmelnden russ-geschwärzten In-
dustrie-Becken von Lüttich, Charleroi und
Namur und die Werke jener neuzeitlichen
Maler, Bildhauer und Schriftsteller, die es
schildern! Dieser Kontrast gibt den Äusser-
ungen der vornehmsten Geister dieses kleinen
Volkes einen so seltsamen Reiz, dass sie
überall Freunde und Anhänger gefunden

haben: Meunier, Khnopjp und Minne, Ver-
haeren, Donnay, Demolder, Max Elskamp,
Rassenfosse, Paul Gcrardy und im höchsten
Maße wohl Maurice Maeterlinck, dessen
Name geradezu das nicht immer im besten
Sinne »populär« zu nennende Symbol für
diese wundersame Kultur - Stimmung des
»Zwielichts« im neuzeitlichen Belgien ge-
worden ist. Es will nicht wenig heissen,
dass in diesem Lande ein Schriftsteller zu
hohem Ansehen gelangen konnte, der sich
auf Ruysbroek beruft und es für an der Zeit
hält, den innerlichsten Thatsachen des mysti-
schen Lebens nachzuspüren, und dass dort
gleichzeitig Architekten, Dekorateure und
Konstrukteure auftraten, welche aus den
modernsten Voraussetzungen die modernsten
Konsequenzen zogen und mit einem geradezu
sozialistischen Radikalismus und Rationalis-
mus in Fragen der Wohnungs-Kunst vor-
gingen. Denn — wir wiederholen es —
van de Velde ist es nicht allein: der zu früh
verstorbene Hankar, Horta, Serrurier-Bovy,
Georg Hobe, Jaspar, Sneyers, Govaerts, Van
 
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