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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 11.1902

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Fuchs, Georg: Die Belgische Abteilung auf der Turiner Ausstellung 1902
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https://doi.org/10.11588/diglit.6694#0168

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Die Belgische Abteilung auf der Turiner Ausstellung.

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de Voorde sind im Grunde von dem nämlichen
Geiste beseelt. Die Bildhauer wie Kon-
stantin Meunier, Paul Dubois, De Rudder,
Morrcn und Minne stehen ihnen darin un-
gemein nahe — ohne zu Naturalisten herab-
zusinken: das ist es, was sie dabei ehrt! —
und die Maler nicht minder, denn aus Belgien
kam ja der Pointiiiismus. Nur ganz ver-
einzelte Künstler-Persönlichkeiten sehen wir,
die weder mit der mystisch-symbolistischen
noch mit der modern-konstruktiven Bewegung
gehen. Unter ihnen fesselt uns ganz besonders
der Bildhauer, Ebenist und Schmuck-Künstler
Philipp Wolfers. Eine eigene, schwere,
schwüle Traum - Fantastik lebt in seinen
märchenhaften Schöpfungen, die uns zuweilen
an Gustave Moreau, zuweilen aber auch
etwas an Lalique erinnert. Mit Jenem ver-
eint ihn sein Bestreben aus den uralten
Mythen ganz neue, ganz moderne Gestal-
tungen voll nervöser Stimmung hervorgehen
zu lassen und ein gewisses lyrisch-musikalisches
Element; mit diesem die Neigung zu grotesken
Tier-Fantasieen und zu einer seltsamen, fas-
zinierenden Pracht, die manchen Stücken
etwas Orientalisches oder Byzantinisches ver-
leiht — der Stimmung nach, denn in den
Formen sind sie vollkommen sein Eigentum.
Eine seiner merkwürdigsten Schöpfungen,
die elektrische Lampe »Die Fee mit dem
Pfau«, welche hier abgebildet wird, übt eine
geradezu dramatische Wirkung aus durch
die blanke, jäh hervortretende Nacktheit des
weissen Elfenbein-Körpers der Frau, welche
durch die fast übermässig bewegte Pose
noch erhöht wird; um diesen wie im Mond-
Scheine aufleuchtenden Frauen-Leib bilden
das Silber und Email des metallischen Pfauen-
Gefieders und der Lampe einen dunklen,
vom magischen Aufblitzen der dort und da
eingefügten Preciosen durchleuchteten Fond.

Dieses pitoreske Werk mit seinen
schroffen Kontrasten ist so recht ein Symbol
für das modernste Belgien, das sich mit
seinen abgrundtiefen Gegensätzen von dem
benachbarten, stammverwandten Holland selt-
sam unterscheidet. Hier eine ruhige, lang-
same, einheitliche Entwickelung auf breiter,
gesunder Grundlage, dort eine fast ver-
wirrende Buntheit der nach allen Seiten aus-

einander strebenden Tendenzen; in der tiefsten
Tiefe aber lebt doch noch der grosse, ernste
Geist des alten niederländischen Volkes und
als treue Hüter treten die edelsten Männer
und Künstler an seinen Born: vielleicht dass
seine Fluten einmal wieder aufsteigen und
alle Kanäle des Heimat-Landes mit ihrer
wunderwirkenden Kraft erfüllen.

Wer die Mühe nicht scheut, sich durch
die Masse minderwertiger und banaler Fabrik-
Ware der belgischen Sektion durchzuarbeiten,
wird also doch auf manche Schöpfung treffen,
deren Ernst ihm Respekt einflösst, und deren
zusammengefasste und zielsicher gesteuerte
Kraft ihn für Belgiens Kultur hoffen lässt.
Man beachte so namentlich das vortreffliche
Speise-Zimmer von Hobe, das Atelier von
Sneyers und sodann zahlreiche Möbel, Ein-
richtungen, Konstruktionen der anderen bereits
genannten Architekten. Das Dekorativ-
Ornamentale tritt dagegen freilich noch er-
heblich zurück, wenn man auch die Panncaux
der Frau H. de Rudder und Hermann
Richir's, sowie die Friese von Crespin gern
gelten lassen wird. Die Stärke des bel-
gischen Gewerbes liegt ganz entschieden im
Konstruktiv-Architektonischen, nicht im Male-
risch-Fantastischen und das ist, so sehr
beide Elemente zusammengehören, doch ent-
schieden eine hoffnungsvollere Situation, als
wenn es umgekehrt wäre. — Georg Fuchs.

.? SEZlONE

FERNAND KHNOPFF-BRÜSSEL. Sigtiet.
 
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