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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Schwarz, Karl: Lovis Corinth, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0031

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Lovis Corinth Berlin.

in ihm erwacht und nun ein verblüffendes
Wechselspiel ungebundener, souverän wirken-
der Kraft sich entfaltet.

Er ist bereits der große, aber noch nicht an-
erkannte Künstler. Still schafft er für sich und
kümmert sich nicht um seine MünchenerKollegen,
mit denen er wohl gerne pokuliert, sie hohn-
lachend unter den Tisch trinkt, die er aber ruhig
kunsttheoretisieren läßt und seine eigenen Wege
geht. Der Münchener Allotriakreis kann manche
lustige Geschichte von ihm erzählen, wie er,
der norddeutsche Bär, unter ihnen polterte und
tobte, bis er mit der Jahrhundertwende die
feuchtfröhliche Gemeinde verließ und sich nach
Berlin begab, wo ein neues kampfreiches Leben
für ihn begann. — In seiner Kunst ist er der
gleiche geblieben: kraftvoll, weitblickend, mür-
risch bisweilen, bizarr und niemals um einen
Ausdruck verlegen. Aber hier verbindet er sich
mit Liebermann und Leistikow und wird zum
Kämpfer und Streiter; er tritt aus dem Eigen-
leben heraus, stellt sich an die Spitze der neuen
Vereinigung, die aus kleinen Anfängen, bald
zurtonangebendenKunstmachtderReichshaupt-
stadt und über deren Grenzen hinaus wird.

In Berlin findet er aber noch einen zweiten
neuen Lebensinhalt, der sich auch bald in seiner
Kunst dokumentiert und die zartesten lyrischen
Seiten erklingen läßt: Corinth, der unverwüst-
liche Junggeselle, wird zum liebenden Gatten und
treusorgenden Vater. — Unermüdlich ist er in
der Wiedergabe von Frau und Kindern; seine
Kunst wird zum biographischen Selbstbe-
kenntnis. Die große Liebe zum Leben, dieses
Agens seiner ganzen Kunst, bereichert sich an
den kleinsten Begebenheiten und Eindrücken.
Der zarte Duft der Blumen wirkt jetzt auf ihn
ebenso berauschend wie früher der Alkohol,
die Stimmchen der Kinder erwecken sein Herz
wie früher das tolle Lachen der Zechkumpane.

Wollt ihr den Meister ganz verstehen, so
müßt ihr zu seinen graphischen Blättern greifen
und seine Zeichnungsmappen durchforschen
und — ihn selber kennen lernen.

Dieser großgewachsene, breitgebaute Mann
ist das Sinnbild deutscher Kraft und Ehrlichkeit.
Selbstlos und selbstbewußt schreitet er durchs
Leben. Heute bereits zählt er zu unseren Besten
und sein Name wird fortbestehen in der deut-
schen Kunst................... k. sch.

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