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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Jaumann, Anton: Das Denkmal im Grünen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0171

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DAS DENKMAL IM GRÜNEN.

Er hatte sich redlich Mühe gegeben. Das
sollte sein Meisterwerk sein. Und nun
stand der Krieger in Bronze an seinem Bestim-
mungsort, in den Anlagen vor dem Friedhof.
Die sehnige Gestalt, in steiler Pyramide knapp
zusammengefaßt, mit leichter Wendung des
Körpers das Schwert aus der Scheide ziehend,
von allen Seiten reizvoll, edel, groß. Er war
zufrieden. — Da kam der Sommer. Die Bäume
hingen voll Blüten und Laub, im Rasen sproßte
es bunt und auf den Bänken rund herum spielte
eine lustige Kinderschar: ein pikanter Gegensatz
zu dem Ernst des Friedhofs. Aber was war
aus dem Denkmal geworden! Die Natur hatte
es umgarnt, die Blätter und Zweige tanzten um
den Jüngling im Winde, Sonnenflecken liefen
an seinem Körper auf und nieder, und die
Blumen legten ein buntes Kissen um seine Füße.
Welch stimmungsvolles Bild! Aber wer achtete

jetzt noch auf die edle Silhouette, auf den
monumentalen Aufbau? Ach, das Plastische
daran hätte zehnmal schlechter sein können,
der Ort, das Zusammenleben von Statue und
Natur hätten die gleiche Stimmung doch hervor-
gebracht. Und diese Wirkung, wie verschieden
war sie von der, die der Künstler gewollt,
nämlich edler Größe, Herrentum!

Soll man also Denkmäler nicht ins Grüne
stellen? Im Gegenteil! Aber jedes Denkmal,
das im Freien steht, erzielt die beabsichtigte
Wirkung nur, wenn der Künstler es aus der
Naturstimmungheraus gestaltet. Sonne, Blumen,
Wind, Laub und Kinderspiel sind ebenso Requi-
siten des Bildhauers wie Ton und Meißel, a. j.
£

Kunstformen schaffen, ist doch noch etwas anderes als
Wissenschaften begründen und Hochöfen bauen.
Dazu gehört eine geheimnisvolle seelische Kraft, für
die es keine erlernbaren Vorbilder gibt. NAUMANN.

XXI. Novtmbcr 1917. 6
 
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