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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Lux, Joseph August: Gustav Klimt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0404

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GUSTAV KLIMT f.

EIN NACHRUF VON JOSEPH AUG. LUX.

Zu früh, doch ein Vollendeter, ist Gustav
Klimt, erst 56 Jahre alt, in Wien plötzlich
verschieden. Ein ganz Großer, und darum Ein-
samer, wie alle Größe einsam ist. Und deshalb
war auch über sein Leben die Tragik verhängt,
die überall in der Welt, besonders aber in dieser
Stadt dem Genie vom Schicksal zugewogen
scheint. Zu den großen Duldern wie Beethoven,
Grillparzer und so vielen anderen, die unbe-
kümmert um das Haßgeschrei der Menge ihren
einsamen Sternenweg gehen, gehörte auch
Klimt als Schicksalsgefährte. Nicht als ob man
daheim nicht wußte, wie hoch sein Ruhm ging;
doch stand man dem Berg zu nahe, um seine
volle Größe zu ermessen. Das ginge noch.
Selbst wenn ihm widerwillig Anerkennung
wurde, so blieb ihm seine Zeit dennoch Ver-
ständnis schuldig. Auch das ist zu begreifen.
Es liegt im Wesen großer Kunst, daß sie nicht
gleich, wenn überhaupt, in ihrer ganzen Tiefe
begriffen wird. Wer könnte je dieses Myste-
rium ganz durchdringen, davon der Künstler
in seinen leuchtenden Gesichten kündet? Doch
daß dem Offenbarer solcher Wunder statt Re-
verenz, die man zumindest auch dem unbe-
griffenen Meisterwerke schuldet, nur Hohn und
Schimpf wird, das beweist nicht nur Kunst-
blindheit, sondern, schlimmer noch, Seelen-
roheit, die tief beschämend für die Bildung
dieser Zeit ist. Mit untilgbarer Schmach hat
sich das Professoren-Kollegium der Wiener
Universität bedeckt, als es die berühmten
Deckenbilder für die Aula zurückwies und in
Protesten jene tötliche Atmosphäre von Kunst-
verneinung und Gehässigkeit erzeugte, die auch
auf stärkste Schaffensfreude lähmend wirken
muß. Wohl fühlte man bei allen seinen Bildern
unbewußt den Zauber seines im höchsten Maße
sensitiven Kolorits, die Feinnervigkeit der
Zeichnung, die ätherische Musik der Konzep-
tion, die sphärenhaft schwingt in seinem Beet-
hovenfries und als magische Essenz durch alle
seine Bilder flutet, nicht am geringsten in seinen
fast unirdischen, zugleich von leiser Dämonie

erschauernden Frauenbildnissen. Indessen hielt
man sich ans Gegenständliche und deutelte an
Kunst vorbei, beharrlich mißverstehend, daß in
den Werken Gleichnisse der schauenden Seele,
Visionen gezeugt waren. Doch gerade dieses
„Mystische" (nach anderen das Stilistische) er-
regte Widerspruch, am stärksten in dem Uni-
versitätsbild „Philosophie". Die Professoren
verlangten von dem Künstler Philosophie, und
was er bot, war Mystik. Als ob der Künstler
anderes geben könnte als Mystik! Auch hier
war nichts Verworrenes; traumklar und fast
naiv ging die Vision auf, eine Seele stand vor
dem Grenzenlosen. Doch scheints noch, als
fehlten alle geistige Brücken, die von der so-
genannten Bildung hinüberführen in das Myste-
rium der Kunst und namentlich der Kunst eines
Gustav Klimt, die auf zwei Polen beruht: einer
unvergleichlichen, fast einzig dastehenden tech-
nischen Meisterschaft und eines gefühlsmäßigen
Schauens, das von den feinsten siderischen
Vibrationen durchschauert ist. Auf diesem
Sternenweg der Seele vermochten ihm die erd-
befangenen Zeitgenossen nicht zu folgen; sie
blieben grimassierend zurück, der Künstler ging
unbedankt den einsamen Höhenweg, wo es
keine Gefolgschaft gibt, nur fern Ahnende, fern
Grüßende. Hier geht jeder allein, wenn er die
Weihen trägt. Wundern wir uns nicht über
das Törichte und Schiefe, das auch in neuen
Kunstbüchern über ihn zu lesen steht. Der
scheinbar robuste Mann mit dem sensitivsten
Nervenleben, mit einer allen sphärischen Ein-
sprechungen erschlossenen Seele zog sich scheu
vor der Mitwelt zurück, hellsichtig der inneren
Welt magisch künstlerischer Phänomene zuge-
wendet, die sich dem trüben Blick der Alltags-
menschen so wenig entschleiert wie diese Kunst,
die über ihrer Zeit so fern und einsam steht
wie ein Gestirn. Dieses Gestirn ist an uns
vorübergegangen, und hinterdrein wenigstens
fängt sich die Welt ihrer Blindheit zu schämen an.

Wiedergaben der Werke des Meisters bieten die Hefte: April
1916, Okt. u. Mai 08, Sept. u. Mai 07, Okt. 06, Juli 02. Alle vergriffen.

B1CRNHARD
 
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