Vom einheitlichen Ziel der Kunst.
lovis corinth—berlin.
(! KMAI.DK .SCHATTEN HI LDKR.«
bürgerlichen Charakter völlig entkleiden, wenn
wir erkannt haben, daß alles, was Kunst be-
wirken will, selbst Kunst sein muß, können
wir sagen: durch den Willen des Schöpfers
klingt die Umgebung mit dem Kunstwerk in
eine höhere Einheit zusammen. Diese Um-
gebung ist: die Natur und die geschaffenen
Werke der Kunst. Beides ist aber letzten En-
des dasselbe. Der unechte, eitle „Künstler"
grenzt sein Werk ringsum ab, als wolle er ein
°eues Kapitel der Kunstgeschichte beginnen.
Der wahre Künstler, zeitlos empfindend, zum
Elementaren dringend, das Notwendige wol-
lend, ordnet sich in die Natur ein — durch
alle Zeiten, so daß mit der Natur noch stets
an unsichtbaren Fäden zusammenhängt, was
dem Heutigen aus allem Wirrwarr Berlins als
wahrer Ausdruck entgegenklingt.
Zum Schluß aber noch dieses: Als Hippolyte
Taine seine „Philosophie de l'art" schrieb,
dachte er die Kunst wesentlich als etwas Pas-
sives, Leidendes. — Unfähig, sie in ihrem wah-
ren Urgründe, dem tiefen Formungswillen, zu
verstehen, stellte er sie in Abhängigkeit vom
Milieu, dem Komplexe aus Rasse, Klima,
Glaube, Verfassung, Sitte und Recht. Er suchte
zu „erklären", d.h. an Bekanntes, Greifbares,
Meßbares anzuknüpfen. Verfassung, Recht,
Klima usw. sind objektiv meßbar, also wurden
sie ihm zu Kronzeugen. Kunst war ihm etwas,
das gemacht wurde, und da die Kunstgeschichte
ihn lehrte, daß je nach den Jahrhunderten die
Kunst verschieden gemacht wird, so schien es
einleuchtend, sie an jene wechselnden Größen
anzuknüpfen. — Er hätte der Kunstgeschichte
weniger Glauben schenken sollen. Daß die
Kunst nach den Jahrhunderten verschieden sei,
ist ein Irrtum, der nur dadurch erklärlich wird,
daß die Kunstgeschichte Kunst und Unkunst
bunt durcheinanderwürfelt. Die wahre Kunst
ist immer die nämliche eine, und das wahre
Problem ist nicht: wie kommt der gleiche Typ
homo sapiens zu so verschiedenen Stilen —
sondern: in welchen Tiefen ruht die verborgene
Einheit Mensch, die durch die eine gleiche Kunst
so eindringlich gewiesen wird. dr. adolf behne.
lovis corinth—berlin.
(! KMAI.DK .SCHATTEN HI LDKR.«
bürgerlichen Charakter völlig entkleiden, wenn
wir erkannt haben, daß alles, was Kunst be-
wirken will, selbst Kunst sein muß, können
wir sagen: durch den Willen des Schöpfers
klingt die Umgebung mit dem Kunstwerk in
eine höhere Einheit zusammen. Diese Um-
gebung ist: die Natur und die geschaffenen
Werke der Kunst. Beides ist aber letzten En-
des dasselbe. Der unechte, eitle „Künstler"
grenzt sein Werk ringsum ab, als wolle er ein
°eues Kapitel der Kunstgeschichte beginnen.
Der wahre Künstler, zeitlos empfindend, zum
Elementaren dringend, das Notwendige wol-
lend, ordnet sich in die Natur ein — durch
alle Zeiten, so daß mit der Natur noch stets
an unsichtbaren Fäden zusammenhängt, was
dem Heutigen aus allem Wirrwarr Berlins als
wahrer Ausdruck entgegenklingt.
Zum Schluß aber noch dieses: Als Hippolyte
Taine seine „Philosophie de l'art" schrieb,
dachte er die Kunst wesentlich als etwas Pas-
sives, Leidendes. — Unfähig, sie in ihrem wah-
ren Urgründe, dem tiefen Formungswillen, zu
verstehen, stellte er sie in Abhängigkeit vom
Milieu, dem Komplexe aus Rasse, Klima,
Glaube, Verfassung, Sitte und Recht. Er suchte
zu „erklären", d.h. an Bekanntes, Greifbares,
Meßbares anzuknüpfen. Verfassung, Recht,
Klima usw. sind objektiv meßbar, also wurden
sie ihm zu Kronzeugen. Kunst war ihm etwas,
das gemacht wurde, und da die Kunstgeschichte
ihn lehrte, daß je nach den Jahrhunderten die
Kunst verschieden gemacht wird, so schien es
einleuchtend, sie an jene wechselnden Größen
anzuknüpfen. — Er hätte der Kunstgeschichte
weniger Glauben schenken sollen. Daß die
Kunst nach den Jahrhunderten verschieden sei,
ist ein Irrtum, der nur dadurch erklärlich wird,
daß die Kunstgeschichte Kunst und Unkunst
bunt durcheinanderwürfelt. Die wahre Kunst
ist immer die nämliche eine, und das wahre
Problem ist nicht: wie kommt der gleiche Typ
homo sapiens zu so verschiedenen Stilen —
sondern: in welchen Tiefen ruht die verborgene
Einheit Mensch, die durch die eine gleiche Kunst
so eindringlich gewiesen wird. dr. adolf behne.