Kunstgeschichtliche Bildung und künstlerische Erziehung.
professor josef hoffmann. »farbiges becherglas mit schliff
offenbaren. — Das Bildungszeitalter hat sich im
Museum eine Organisation geschaffen, die dem
weitverbreiteten Verlangen nach
künstlerischen Eindrücken Genüge
tun soll. Frühere Zeitalter kannten
diese Art isolierten Kunstgenusses
nicht, da ihnen das Kunstwerk Le-
bensäußerung war und es in die
Gesamtheit ihres bürgerlichen und
geistigen Lebens in Kirche und Haus
eingefügt erschien. Das Museum
hat sich aus der „fürstlichen Kunst-
kammer" entwickelt und es gelang
ihm bisher nie, die Spuren seiner
Herkunft zu verwischen und den
Charakter einer Vorrats - Kammer
ganz abzulegen. Die Zeiten liegen
zwar hinter uns, wo man sich auch
in öffentlichen Sammlungen keine
Gedanken machte, die Wände in
wunderlichstem Nebeneinander mit
dem Bildermaterial zu tapezieren,
das höfiger Ehrgeiz, Konvention,
Sammlerinstinkt oft mehr als Ge-
schmack und Verständnis ausge-
wählt und zusammengetragen hat-
ten. In den letzten Jahren mehrten
sich aber die Versuche, den Be-
stand der Sammlungen nach künst-
lerischen Gesichtspunkten zu son
ten Bilder auf ein faßlicheres Maß zu
beschränken. Doch blieb die andere
Frage meist noch unberührt, ob das
Museum der Belehrung oder der An-
schauung in erster Linie zu dienen
hätte, ob es Aufgabe der Hängekom-
mission sein sollte, im Gesamtbild der
Sammlung besondere Entwicklungs-
stadien oder Stilmomente herauszu-
arbeiten oder die Perlen des Hausbe-
sitzes in möglichst reiner, neutraler
Fassung zur Schau zu stellen. Wieder
handelt es sich um ein Schwanken
zwischen Bildungs- und Kunstinteres-
sen. Das Museum kann ein lebendes
Handbuch sein (und ist es sehr oft),
das den Besucher über den Verlauf
der Kunstgeschichte orientiert, oder
es kann eine stille Stätte sein, wo sel-
tene Geisteswerke ihre Kräfte ausströ-
men und den Menschen bannen. Un-
zweifelhaft ist das letztere die eigent-
liche Aufgabe des Museums, das der
Kunst dienen soll. Das Museum soll
so wenig ein Institut sein, das wissen-
schaftliche und belehrende Zwecke
verfolgt, als ein alter Dom, in dessen Kapellen
sich Altäre und Bildwerke bergen, je es war.
dieren und die Zahl der ausgestell- Professor josef hoffmann—Wien, »farbige glasvase mit schliff«
professor josef hoffmann. »farbiges becherglas mit schliff
offenbaren. — Das Bildungszeitalter hat sich im
Museum eine Organisation geschaffen, die dem
weitverbreiteten Verlangen nach
künstlerischen Eindrücken Genüge
tun soll. Frühere Zeitalter kannten
diese Art isolierten Kunstgenusses
nicht, da ihnen das Kunstwerk Le-
bensäußerung war und es in die
Gesamtheit ihres bürgerlichen und
geistigen Lebens in Kirche und Haus
eingefügt erschien. Das Museum
hat sich aus der „fürstlichen Kunst-
kammer" entwickelt und es gelang
ihm bisher nie, die Spuren seiner
Herkunft zu verwischen und den
Charakter einer Vorrats - Kammer
ganz abzulegen. Die Zeiten liegen
zwar hinter uns, wo man sich auch
in öffentlichen Sammlungen keine
Gedanken machte, die Wände in
wunderlichstem Nebeneinander mit
dem Bildermaterial zu tapezieren,
das höfiger Ehrgeiz, Konvention,
Sammlerinstinkt oft mehr als Ge-
schmack und Verständnis ausge-
wählt und zusammengetragen hat-
ten. In den letzten Jahren mehrten
sich aber die Versuche, den Be-
stand der Sammlungen nach künst-
lerischen Gesichtspunkten zu son
ten Bilder auf ein faßlicheres Maß zu
beschränken. Doch blieb die andere
Frage meist noch unberührt, ob das
Museum der Belehrung oder der An-
schauung in erster Linie zu dienen
hätte, ob es Aufgabe der Hängekom-
mission sein sollte, im Gesamtbild der
Sammlung besondere Entwicklungs-
stadien oder Stilmomente herauszu-
arbeiten oder die Perlen des Hausbe-
sitzes in möglichst reiner, neutraler
Fassung zur Schau zu stellen. Wieder
handelt es sich um ein Schwanken
zwischen Bildungs- und Kunstinteres-
sen. Das Museum kann ein lebendes
Handbuch sein (und ist es sehr oft),
das den Besucher über den Verlauf
der Kunstgeschichte orientiert, oder
es kann eine stille Stätte sein, wo sel-
tene Geisteswerke ihre Kräfte ausströ-
men und den Menschen bannen. Un-
zweifelhaft ist das letztere die eigent-
liche Aufgabe des Museums, das der
Kunst dienen soll. Das Museum soll
so wenig ein Institut sein, das wissen-
schaftliche und belehrende Zwecke
verfolgt, als ein alter Dom, in dessen Kapellen
sich Altäre und Bildwerke bergen, je es war.
dieren und die Zahl der ausgestell- Professor josef hoffmann—Wien, »farbige glasvase mit schliff«