Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

DOI Artikel:
Zündorff, Margarete: Künstlerischer Christbaumschmuck
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0180

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Künstlerischer Christbaumschmuck.

Äpfelchen hatten goldne Stiele. Die geliebte
Nuß war mit goldner Schale gewachsen, wäh-
rend die gewöhnliche naturgewachsene Schale,
die garnichts ahnen ließ, einen festen Marzipan-
kern umschloß, oder auch einen Fingerhut, ein
Spruchbändchen, Puppenstubengerät oder einen
Nasenstüber für begangne Unart.

Als man zu groß geworden war um auch im
Winter mit der Sonne schlafen zu gehn, lernte
man an den langen Adventabenden viele dieser
Dinge selbst zu machen. So entdeckte man ihre
Geheimnisse, doch raubte Erkenntnis, so ver-
blüf fendmanche war, ihnen nichts von ihremReiz.
«■• Das war „alte Zeit", in diesem Punkte wirk-
lich gute, alte, mit ihren unzähligen gefühl-
vollen Nichtigkeiten, deren naive Stimmungs-
reize uns die Erinnerung an den Weihnachts-
baum unsrer Jugend, so rein und wehmütig
schön in seiner Dürftigkeit, wiedererstehn läßt.

Die neue Zeit, für viele begann sie schon
vor dreißig Jahren, brachte den industriell ge-
fertigtenChristbaumschmuck, den Lamettastern,
die runden und vielfach gebuckelten oder ge-
buchteten Kugeln und Eier aus dünnem, buntem
Glas, die Wattepuppen und Pappäpfel, Asbest-
schnee und im Krieg gar Soldatenmützen, Or-
densterne, Hindenburg in einer Lamettaglorie
und hunderterlei andere gemütlose Allotria
verdorbenen Geschmacks.

Proteste solcher Verwilderung und Desillu-
sionierung zu steuern, blieben schönbedrucktes
Papier. Vergebens auch opponierte die phan-
tasielos-frostige , blendendweiße, symmetrisch
zugestutzte Vornehmheit des „Künstlerchrist-
baums" mit Staniolkaskaden und stramm aus-
gerichteten echten Wachskerzen gegen den
Plebejerschmuck aus dem alles gleichmachenden
Warenhaus. Der farbige Christbaum blieb ihm

über bei Allen, denen der Lichterbaum mehr
ist als ein traditionelles Festattribut, deren
Herz ein wenig wärmendes Gef unkel, ein wenig
Märchen haben will an Weihnachten. Denn
ein Christbaum kann nicht „geschmackvoll"
sein. Er ist wahrgewordne Kindersehnsucht
oder nichts, eine traurigstimmende Ärmlichkeit
vielleicht. — Doch die zärtlichen, geschickten
Mutterhände, die aus dem Kleinsten noch eine
große Freude zaubern können, sind selten ge-
worden oder haben keine Zeit mehr, und die
Kinder müssen an langen Adventabenden lange
Schulaufgaben machen! Da ist denn jene an-
mutig fabulierende Phantasie, die alle Wunder
des Christbaums unserer Kindheit schuf, zu
einem Künstler ausgewandert. Dagobert Peche,
dem bekannten feinsinnigen Mitarbeiter der
Wiener Werkstätten, dem Schöpfer von vol-
lendet schönen Gläsern, von Schmuck, Holz-
schnitten und Druckmustern, ist es gelungen
eine Reihe entzückender kleiner Dinge zu
schaffen, die als Christbaumschmuck gedacht
sind, und deren heitre Phantastik nur von ihrem
liebenswürdigen Humor und der Feinheit der
Ausführung übertroffen wird. Da ist das Schäf-
chen wieder, obendrein mit dem Sonnenhütchen
seiner Schäferin, der Lebensbaum aus grüner
Holzwolle, die besternte Wundertüte, das un-
erschöpfliche Füllhorn des Glücks und eine ge-
träumte Landschaft mit Pfau, die nicht nur ein
Kinderherz höher schlagen machen kann. Und
das alles ist aus Papier, Pappe, ein bißchen
Stoff, ein wenig Glas, Rauschgold und Flitter.
Bezaubernde Spielereien eines Künstlers voll
Witz, Laune und Leichtigkeit, in ihrem schil-
lernden Reiz nur mit dem Gefühl zu erfassen und
darum beglückend, doch jeder „kritischen Wür-
digung" ein Schnippchen schlagend, m. zündorff.

entwurf: mitzi schreiner. »email-brosche« wiener werkst.
 
Annotationen