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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Schulz, Fritz Traugott: Rückblicke und Ausblicke in der Mmalerei: zu den Bildern aus dem Germanischen National-Museum in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0187

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RÜCKBLICKE UND AUSBLICKE IN DER MALEREI.
ZU DEN BILDERN AUS DEM GERMANISCHEN NATIONAL-MUSEUM IN NÜRNBERG.

„Oich um der Gunst des Tages willen abzu-
vj hetzen, bringt keinen Vorteil für morgen
oder übermorgen". Nicht umsonst stelle ich
diese schlichten Worte Goethes an die Spitze
dieser Ausführungen, die den Zweck verfolgen,
dem allzu starken Sichgehenlassen, dem Haupt-
mangel der Kunst unserer Tage, bewährte alte
und ältere Kunst als mahnendes Gegengewicht
gegenüberzustellen. Wenn es wahr sein soll,
was Grimm in seinem Leben Michelangelos
sagt, daß die Kunst allein es ist, die die Blüte
der Völker bezeichnet, so werden wir uns sehr
bald darüber klar sein, daß in der Kunst nur
das Beste gerade gut genug sein kann.

Die Kunst ist ein ewiges Werden, ein ewiges
Formen, ein ewiges Gestalten. Sie ist dem
Glücksrad vergleichbar, an dem jeder glaubt
drehen zu können, mit dem aber nur wenigen
ein Gewinn zu erzielen beschieden ist. Und
diese wenigen erzielen ihn, abgesehen von einem

gewissen Zufallsglück, in vollem Maße erst aus
sich selbst heraus. Auf die Persönlichkeit
kommt es an. Die Größe der Selbständigkeit
ist es, die mit schöpferischer Kraft aus dem
Zeitrahmen herauszutreten und mit titanen-
hafter Gewalt die Geister zu bannen vermag.
Wer für den Augenblick schafft, wer um die
Gunst der Menge buhlt, wer sich nicht im Sinne
Epiktets mit Selbständigkeit wappnet, mit jener
Selbständigkeit, welche die Grundbedingung
von Charakterstärke ist, dem wird es wie dem
nur kurze Zeit grünenden Blatt ergehen, das
nachher mit vielen anderen von rauher Hand
auf einen Haufen zusammengekehrt wird und
gar bald der Vergänglichkeit anheimfällt.

Das allzu starke Sichgehenlassen ist, wie
schon angedeutet, einer der Hauptmängel der
Kunst unserer Zeit. Allzu sehr neigt man heute
zum raschen Hinwurf einer Idee oder zum kur-
zen Festhalten eines momentan glücklich er-

XXI. Dezember 1917 1
 
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