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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Schulz, Fritz Traugott: Rückblicke und Ausblicke in der Mmalerei: zu den Bildern aus dem Germanischen National-Museum in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0188

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Rückblicke und Ausblicke in der Malerei.

faßten Augeneindrucks, ohne sich aber in die
Materie, sei es malerisch, sei es zeichnerisch,
weiter zu vertiefen, ohne das Thema auch geistig
oder technisch voll zu erschöpfen. Das ist es,
was fehlt, und wo es gilt, den Hebel anzusetzen.
Das rein persönliche Moment soll und muß
bleiben, der Künstler soll und muß die ihm
eigentümliche Sonderart bewahren, kann doch,
wie Schopenhauer ganz richtig sagt, aus seiner
Individualität keiner heraus. Aber er soll lernen,
Ewigkeitswerte zu schaffen, keine Augenblicks-
schöpfungen, die ebenso rasch in Vergessenheit
geraten, wie sie auf der Bildfläche erschienen
sind, um Schöpfungen gleicher Art und von
gleicher Vergänglichkeit Platz zu machen, die
den Hunger nach Neuartigem, Extravagantem,
Nochnichtgesehenem, der im Grund genommen
doch nur in einem allgemeinen Unbefriedigtsein
wurzelt, nur noch steigern. Der Wert des Kunst-
werks ist seine Seele, sein Inhalt, seine feier-
liche Größe, die Persönlichkeit und leidenschaft-
liche Bewegung des Schöpfers, die aus ihm
sprechen, die den Beschauer in ihren Bann
zwingen, seine Bewunderung erregen und ihn
dauernd fesseln. Eine weitere Forderung aber
ist, daß mit künstlerischem Ernst gediegenes
technisches Können sich paart. Nur wer auch
das Handwerk voll beherrscht, kann den An-
spruch erheben, Maler genannt und als solcher
gewürdigt zu werden.

Man wird sich füglich wundern, in einer Zeit-
schrift, deren Richtung eine bewußt und aus-
gesprochen neuzeitliche ist, Werke der Kunst
vergangener Tage in einem anscheinend be-
stimmten Zusammenhang abgebildet zu finden.
Man wird glauben, ia man muß es sogar er-
warten, daß wir es mit einer Abhandlung kunst-
historischer Art, vielleicht sogar mit neuen
Forschungsergebnissen zu tun haben. Man
könnte weiter denken, daß der Stoff an Schöp-
fungen moderner Kunst aufgebraucht sei und
darum auf das bequemere Mittel zurückge-
griffen wurde, das Fehlende oder zurzeit Un-
befriedigende durch den Hinweis auf die ewig-
gültigen Werke der Meister alter Kunst zu er-
setzen. Der Umstand, daß die Gemäldesamm-
lung des Germanischen Museums es war, die
das Bildmaterial an die Hand gab, verführt ge-
radezu zu Gedanken nach der einen wie nach
der anderen Richtung. In Wirklichkeit ist der
Zweck der Veröffentlichung ein anderer.

Nicht umsonst befindet sich unter den Künst-
lern, die der Herausgeber dieser Zeitschrift aus
der reichen Fülle der Schätze des Museums
auswählte, ein lebender (Walther Firle) und
werden unter ihnen andere angetroffen, die
noch als Schaffende in unser aller Erinnerung

sind (Franz von Lenbach) oder die inmitten der
Epoche eines verknöcherten Formalismus mit
ungestümer Kraft herausdrängten, aus den
beengenden Fesseln akademischen Zwanges,
heraus ans freie Licht einer lebensbejahenden
Wirklichkeit, an die lichte Sonne der leibhaftigen
Natur. Ich meine Johann Christian Reinhart
(1761 — 1847) mit seiner im Jahre 1785 (!)
geschaffenen Naturstudie eines böhmischen
Benediktinerklosters, die eine Sicherheit in der
Beobachtung der Natur und in der Wider-
spiegelung des farbigen Eindrucks offenbart,
daß sie bei ihm, in dessen Werken sonst der
Geist und die Schönheit eines Claude Lorrain
oder N. Poussin obwalten, und nicht zum min-
desten für seineZeit überrascht. Der Heraus-
geber wollte mit seiner Auswahl zeigen, wie
sich feine, äußerlich unsichtbare Fäden vom
Einst zum Jetzt herüberspinnen, wie Gegen-
wart und Vergangenheit in lebendigem Kon-
nex miteinander stehen. Aber eins haben die
Werke der Alten denen der Jetztzeit voraus.
Sie sind geworden, sie sind Ausdruck und
Träger bestimmter Richtungen und Strömungen,
es ist in ihnen bereits ein wesentlicher Teil
dessen erreicht und überwunden, was wir rin-
gend anstreben und noch zu erreichen trachten.
So werden sie zu einer Quelle stetiger Anregung,
zu festen Ruhe- und Angelpunkten im raschen
Lauf der unaufhaltbaren Entwicklung. Sie sind
Offenbarungen fest umgrenzter Epochen und
haben als solche Ewigkeitswert. Sie sind alt
und doch ewig jung und neu. Mit Ehrfurcht
und heiliger Scheu nahen sich ihnen Künstler,
Kunstfreund und Laie. Es verstummt der
Lästerer sonst redseliger Mund; denn was der
Beschauer vor sich sieht, ist geschichtliche, ist
anerkannte Kunst, ist der Spiegel, in dem sich
Denkart und Auffassungsweise ganzer Kultur-
epochen widerspiegeln. Und darin beruhen
Wert und Bedeutung unserer Museen. Sie sind
Bildungsstätten, Vermittler guter und bester
Kunst, Stätten der Belehrung und Anregung
und gleichzeitig immerwährenden, stetig sich
erneuernden Genusses. Es bedarf kaum der
Hervorhebung, daß das Germanische Museum
dies in besonders konkreter Form ist, ist doch
das deutsche Volk wie auch das Ausland ge-
wohnt, in ihm den Inbegriff dessen zu sehen,
was wir „deutsch" nennen, deutsch im wahren
und besten Sinne, in des Wortes reinster Be-
deutung. Aber noch auf ein Weiteres ist hinzu-
weisen. Deutsche Kunst ist es, die vorzugs-
weise dargeboten wird, ein bedeutsamer Finger-
zeig, eine Mahnung, unser auch in der Kunst
mehr als bisher bewußt zu werden! Wir sollen
das Joch, das uns die Verfechter nichtdeutscher
 
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