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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Back, Friedrich: Karl Thylman, Darmstadt
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0213

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KARL THYLMANN f DARMSTADT.

Der Krieg hat die einzigartige Graphik Karl
Thylmanns zur höchsten Reife geführt und
dann jäh abgeschnitten. Ich sehe den 28 jäh-
rigen vor mir im feldgrauen Waffenrock, wenige
Monate vor seinem Tod: schlanke, noch jüng-
linghafte Gestalt, ganz Ausdruck eigenen Seins;
die tiefernsten, blauen Augen fest auf die Dinge
gerichtet, manchmal ein schalkhaftes Aufblitzen
oder ein fremder Glanz. Thylmann hatte meta-
physische Neigungen und starke dichterische
Gaben. Aber der schöpferische Drang der Hand
hatte die Herrschaft und wahrte die Gesetze der
Kunst, die sich an das Auge wendet.

Sein Werk läßt sich nicht irgendwo anknüp-
fen. Er verehrte von den Alten besonders Dürer
und die Trecentisten Sienas, von den Neueren
van Gogh und Münch. Aber als eine urwüchsige

Persönlichkeit, die sich selbst Form und Gesetz
gibt, hat er alle Zuflüsse von Außen gründlich
verarbeitet. Nicht aus dem Leben seiner Darm-
städter Heimat oder einer Akademie heraus,
die er nach Abschluß seiner humanistischen Bil-
dung zu kurzem Architekturstudium aufsuchte,
sondern von Innen her geht seine Entwicklung.

Mit schärfster Beobachtung der Außenwelt
verband er musikalischen Sinn und eine seltene
Fähigkeit sich in die Dinge einzufühlen. Im
Wachstum der Bäume, in den auf und ab
schwellenden Formen der Erde, in der Bewegung
des Lichts empfand er den Rhythmus desselben
Lebens, das ihn durchdrang. Die Radierungen
und Lithographien, die der 23 jährige von Italien
heimbrachte, sind feine Gesichte der Land-
schaft, wie Bildnisse, die in das Wesen der
 
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