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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 41.1917-1918

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Sombart, Werner: Mode-Zeichnungen von Gisela Schwemmle
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https://doi.org/10.11588/diglit.8537#0239

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MODE-
ZEICHNUNGEN

VON GISELA
SCHWEMMLE.

Wenn ich in den letzten Monaten — in wel-
chen so viel über Mode gesagt, geschrieben
und gezeichnet worden ist — den Bleistift oder
die Tuschfeder in die Hand nahm, um die mir
im Geiste vorschwebenden Modefigürchen auf
ein weißes Blatt zu zeichnen, so zwang es mich
immer und immer wieder, andere, ganz andere
Wege einzuschlagen, als die von den letzten
Modezeichnern betretenen. Ich ertappte mich
im Anfang sogar ein paarmal dabei, dies nicht
zu wollen, denn ich staunte oft über die Kühnheit
und kühle Sicherheit und nicht weniger über
die mir absolut oberflächlich scheinende, aber
oft sehr aparte Art der heutigen Modezeich-
nungen. Was ich jedoch nicht verstand und
nicht verstehen will, sind die grotesken Ver-
zerrungen, Verhäßlichungen der Frau, welche
zwar nicht reizlos, aber lieblos und herzlos gegen
das ganze schöne Geschlecht auf mich wirkten.
Eine schöne Frau (ich konnte es oft beobachten)
legt diese Darstellungen mit einem Schrei der
Entrüstung oder einem hellem Auflachen, je
nach ihrem Temperament, beiseite. Ich ver-
suchte in solchem Falle zu erklären, daß das
neue Modebild mehr sein wolle, als eine genaue,
leere Abbildung einer nichtssägenden Mode-
puppe. Eine Modezeichnung solle nicht soviel
zeigen, als ahnen lassen, und eine Sehnsucht
erwecken nach dem Eigenartigen, dem unerklär-
lich Verfeinerten, Vergeistigten, und dies alles
könne und müsse nur durch Übertreibung aus-
gedrückt und sinnfällig gemacht werden. —

War die schöne Frau klug, so verstand sie das
— aber! Es kam meistens das „aber", —

Und ich denke mir, warum muß denn diese
notwendige Übertreibung gerade ins Häßliche,
Abstoßende oder ins grenzenlos Gleichgültige
zielen, warum denn nicht auch nach der ent-
gegengesetzten Seite. Übertrieben ins Feine,
Liebenswürdige, Beseelte. Nun, viele mögen
einen Reiz darin und darin finden. Ich urteile
darüber nicht, welche Art von Übertreibung
die richtige ist. Doch mein Gefühl zwingt mich,
meineKostümzeichnungenso erstehen zu lassen,
daß sie es vermögen, der Frau ihre liebe einzige
Sehnsucht, schön zu erscheinen, zu lassen. Sie
darf bei der Wahl ihrer Kleidform wohl zaudern
und zagen ob des ihr Neuen und gewagt Er-
scheinenden, aber sie soll nicht bei dem Ge-
danken verzweifeln, wie sie wohl in dem Ding
nachher aussehen mag. Vielleicht sind die ganz
oberflächlichen, besser gesagt, primitiven Mode-
zeichnungen, die mit den gleichen Gesichtern
und ewig vom Körper wegstehenden Armen,
welche die Linienführung und Aufmachung des
Kleides nicht verdecken, am besten; denn sie
geben ein klares Bild vom Entwurf des Kleides.

Ich aber bin mit meinem ganzen Herzen
dabei, wenn ich meine schlanken Mädchen und
Frauen zeichne, die den Zweck haben sollen,
als liebe beseelte Schwestern solcher Damen,
welchen sie gefallen, mit soviel Anmut und
Liebenswürdigkeit als sie vermögen, für ihr
Kleid, das sie tragen, zu werben. Ich will auch,

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XXI. Dezember 1917. 6*
 
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