Der Sieg der Qualität.
PROF. HEINRICH JOBST—DARMSTADT.
»LÖWE AM LANDESMUSEUM—DARMSTADT «
die sich in den Schwanz biß. Einer schob dem
anderen die Schuld in die Schuhe, und eine
wirklich durchgreifende Änderung war nicht zu
erzielen. Trotz der größten Anstrengungen der
berufenen Mahner und Warner blieben die Er-
folge geringfügig. Das alte Ovid-Wort: „Video
meliora proboque, deteriora sequor" behielt
seine Geltung bei. Der „wohlfeile" Kitsch fand
stets willige Abnehmer; automatisch wurden
die Reservoire nachgefüllt; und diese
Unmassen erstickten die geringe Minderzahl
guter Leistungen. —
In diesen bösen Schlendrian schoß nun der
riesige Weltkrieg eine segenbringende Bresche.
Die Warenlager lichten sich immer mehr;
selbst die ältesten Ladenhüter, die früher
nur noch in der weniger kritischen Provinz
verramscht werden konnten, sind schon zum
größten Teile aufgesaugt worden; die Fabrik-
depots sind so gut wie geräumt, und die Pro-
duktion kann fast auf allen Gebieten der gestei-
gerten Nachfrage nicht im geringsten genügen.
Jetzt sind wir zum Glücke endlich einmal so
weit, daß wir auch in der Kunstindustrie nach
dem Kriege von vorne beginnen können, nicht
eingeschnürt von Rücksichten auf ältere Be-
stände, die erst abgesetzt werden müßten. Jetzt
gibt es keine Ausrede mehr; die Objekte in
den sogenannten Louis-Stilen oder im Empire
sind in Ermangelung anderer Waren an den
Mann gebracht worden; nun ist Raum ge-
schaffen für eine gediegene, nach eige-
nen, neuzeitlichen Künstlerentwürfen
arbeitende Produktion, nun ist die Bahn
frei für die vom Deutschen Werkbunde ange-
strebte „Durchgeistigung der deutschen Arbeit".
Nicht lediglich ideale Gesichtspunkte sind es,
die den Sieg der Qualität auch im Kunstgewerbe
und besonders in der Kunstindustrie von uns
gebieterisch erheischen; auch rein wirtschaft-
liche Rücksichten werden uns dazu zwingen.
Wenn auch unseren Feinden die liebenswürdige
Absicht, dem Kriege einen allgemeinen Wirt-
schaftskrieg gegen uns folgen zu lassen, gründ-
lich vereitelt werden wird, so werden wir doch
den Weltmarkt mit dem ehemaligen Kainszeichen
„Billig und schlecht" niemals zurückgewinnen
oder gar neu erobern können, sondern nur mit
dem Wahlspruch „Preiswert und gediegen".
Die noch lange fortwährende Knappheit
304
PROF. HEINRICH JOBST—DARMSTADT.
»LÖWE AM LANDESMUSEUM—DARMSTADT «
die sich in den Schwanz biß. Einer schob dem
anderen die Schuld in die Schuhe, und eine
wirklich durchgreifende Änderung war nicht zu
erzielen. Trotz der größten Anstrengungen der
berufenen Mahner und Warner blieben die Er-
folge geringfügig. Das alte Ovid-Wort: „Video
meliora proboque, deteriora sequor" behielt
seine Geltung bei. Der „wohlfeile" Kitsch fand
stets willige Abnehmer; automatisch wurden
die Reservoire nachgefüllt; und diese
Unmassen erstickten die geringe Minderzahl
guter Leistungen. —
In diesen bösen Schlendrian schoß nun der
riesige Weltkrieg eine segenbringende Bresche.
Die Warenlager lichten sich immer mehr;
selbst die ältesten Ladenhüter, die früher
nur noch in der weniger kritischen Provinz
verramscht werden konnten, sind schon zum
größten Teile aufgesaugt worden; die Fabrik-
depots sind so gut wie geräumt, und die Pro-
duktion kann fast auf allen Gebieten der gestei-
gerten Nachfrage nicht im geringsten genügen.
Jetzt sind wir zum Glücke endlich einmal so
weit, daß wir auch in der Kunstindustrie nach
dem Kriege von vorne beginnen können, nicht
eingeschnürt von Rücksichten auf ältere Be-
stände, die erst abgesetzt werden müßten. Jetzt
gibt es keine Ausrede mehr; die Objekte in
den sogenannten Louis-Stilen oder im Empire
sind in Ermangelung anderer Waren an den
Mann gebracht worden; nun ist Raum ge-
schaffen für eine gediegene, nach eige-
nen, neuzeitlichen Künstlerentwürfen
arbeitende Produktion, nun ist die Bahn
frei für die vom Deutschen Werkbunde ange-
strebte „Durchgeistigung der deutschen Arbeit".
Nicht lediglich ideale Gesichtspunkte sind es,
die den Sieg der Qualität auch im Kunstgewerbe
und besonders in der Kunstindustrie von uns
gebieterisch erheischen; auch rein wirtschaft-
liche Rücksichten werden uns dazu zwingen.
Wenn auch unseren Feinden die liebenswürdige
Absicht, dem Kriege einen allgemeinen Wirt-
schaftskrieg gegen uns folgen zu lassen, gründ-
lich vereitelt werden wird, so werden wir doch
den Weltmarkt mit dem ehemaligen Kainszeichen
„Billig und schlecht" niemals zurückgewinnen
oder gar neu erobern können, sondern nur mit
dem Wahlspruch „Preiswert und gediegen".
Die noch lange fortwährende Knappheit
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