ZU NEUEN ARBEITEN MAX PECHSTEINS
VON PAUL FECHTER
Vielleicht keine Generation hat es äußerlich
so schwer gehabt wie die um 1880 geborene.
Als die „Brücke", der Kreis um Pechstein,
Heckel, Kirchner, Schmidt-Rottluff vor zwanzig
Jahren zuerst auftrat, kümmerte sich niemand
um sie. Als die Maler endlich nach zähem
Ringen durchzudringen begannen, brach der
Krieg aus. Mit der Revolution schien ihre Zeit
gekommen; sie wurden beinahe populär. Von
der Gegenbewegung, die wenige Jahre später
einsetzte, wurden sie aber mit samt dem Ex-
pressionismus, mit dem man sie identifizierte,
in die Vergangenheit geworfen. Tradition und
Arbeit des Impressionismus liefen im Hinter-
grund durch nichts gestört weiter, während sich
im Vordergrund an der Generation von 1880
beinahe eine kleine Tragödie vollzog.
Man kann diese Tragödie nur klein nennen,
weil sie nur ein zeitweises, ein vorübergehendes
Zurückgedrängtwerden bedeutet, ein Zwischen-
spiel, nach dessen Ablauf sich die wirklichen
Werte, die tatsächliche Bedeutung der Ein-
zelnen desto reiner heraushoben. Indem die
einzelnen Erscheinungen zeitweise aus dem all-
gemeinen Bewußtsein in den Hintergrund zu-
rücktraten, wuchs ihr Wesensbild in der un-
kontrollierten Vorstellung desto schärf er heraus,
also daß sich heimlich ein Umwertungsprozeß
vollzog, der eigentlich bereits die spätere Wer-
tung der Historie vorbereitet hat.
Der Maler des Brückenkreises, der von die-
sem Schicksal der Generation von 1880 am
stärksten getroffen wurde, war Max Pechstein.
Er stand in der Zeit vor dem Kriege, in den
ersten Jahren nach der Revolution am weitesten
im Vordergrunde; die Konsequenz war, daß er
hinterher am weitesten zurückgedrängt werden
mußte. Für die lediglich literarisch intellek-
tuelle Betrachtungsweise künstlerischer Dinge,
die von dem abstrakten Flügel der Entwick-
lung herkommend sich nach der Revolution
besonders stark ausbreitete, mußte gerade dieser
Maler, der gänzlich unliterarisch, rein aus der
ungetrübten Vitalität heraus arbeitete, mit Not-
wendigkeit der unangenehmste Stein im Wege
sein. Sie mußte ihn aus dem Wege und in
den Hintergrund zu drängen versuchen, weil
seine Arbeit auf keine Weise in irgendeinen
IXX. April 1927. 1
VON PAUL FECHTER
Vielleicht keine Generation hat es äußerlich
so schwer gehabt wie die um 1880 geborene.
Als die „Brücke", der Kreis um Pechstein,
Heckel, Kirchner, Schmidt-Rottluff vor zwanzig
Jahren zuerst auftrat, kümmerte sich niemand
um sie. Als die Maler endlich nach zähem
Ringen durchzudringen begannen, brach der
Krieg aus. Mit der Revolution schien ihre Zeit
gekommen; sie wurden beinahe populär. Von
der Gegenbewegung, die wenige Jahre später
einsetzte, wurden sie aber mit samt dem Ex-
pressionismus, mit dem man sie identifizierte,
in die Vergangenheit geworfen. Tradition und
Arbeit des Impressionismus liefen im Hinter-
grund durch nichts gestört weiter, während sich
im Vordergrund an der Generation von 1880
beinahe eine kleine Tragödie vollzog.
Man kann diese Tragödie nur klein nennen,
weil sie nur ein zeitweises, ein vorübergehendes
Zurückgedrängtwerden bedeutet, ein Zwischen-
spiel, nach dessen Ablauf sich die wirklichen
Werte, die tatsächliche Bedeutung der Ein-
zelnen desto reiner heraushoben. Indem die
einzelnen Erscheinungen zeitweise aus dem all-
gemeinen Bewußtsein in den Hintergrund zu-
rücktraten, wuchs ihr Wesensbild in der un-
kontrollierten Vorstellung desto schärf er heraus,
also daß sich heimlich ein Umwertungsprozeß
vollzog, der eigentlich bereits die spätere Wer-
tung der Historie vorbereitet hat.
Der Maler des Brückenkreises, der von die-
sem Schicksal der Generation von 1880 am
stärksten getroffen wurde, war Max Pechstein.
Er stand in der Zeit vor dem Kriege, in den
ersten Jahren nach der Revolution am weitesten
im Vordergrunde; die Konsequenz war, daß er
hinterher am weitesten zurückgedrängt werden
mußte. Für die lediglich literarisch intellek-
tuelle Betrachtungsweise künstlerischer Dinge,
die von dem abstrakten Flügel der Entwick-
lung herkommend sich nach der Revolution
besonders stark ausbreitete, mußte gerade dieser
Maler, der gänzlich unliterarisch, rein aus der
ungetrübten Vitalität heraus arbeitete, mit Not-
wendigkeit der unangenehmste Stein im Wege
sein. Sie mußte ihn aus dem Wege und in
den Hintergrund zu drängen versuchen, weil
seine Arbeit auf keine Weise in irgendeinen
IXX. April 1927. 1