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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Schürer, Oskar: Zeitlicher und zeitloser Wert in der Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0233

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ZEITLICHER UND ZEITLOSER WERT IN DER KUNST

Sehr oft wird der Begriff „modern" als posi-
tives Werturteil gebraucht. Und radikale
Verfechter dieser Einstellung lassen nur das
„Moderne" als wertvoll gelten. Und doch be-
hauptet jedes Kunstwerk zweierlei Werte: den
der Zeit und den der Zeitlosigkeit. Ein Kunst-
werk ruht auf den Bedingungen seiner Zeit,
in der Technik wie im Ausdruck. Erfüllt es
diese in hervorragendem Maß, so hat es seiner
Zeit genügt: es ist modern in jenem positiven,
durchaus eindeutigen Sinn, den alle Zeiten noch
als vollen Wert anerkannt haben. Über diese
Schicht nun aber kann es noch hinaufragen in
zeitlose Werte: in eine Region der künstlerischen
Bedeutsamkeit, die von Zeitbedingungen ganz
und gar unabhängig ist, die über alle Verschieden-
heiten der Zeiten und Völker hinüber ihr ewiges
Maß in sich hat. Sprechen wir heute von Rem-
brandt, so sehen wir vor allen die zeitlosen
Werte in seinem Werk. Sprachen seine Zeit-
genossen von ihm, so rühmten sie vor allem die

in seiner Malerei verwirklichten Zeitwerte. Das
wird deutlich aus der Geschichte Rembrandts
selbst. Denn als er, alternd, begann, immer
mehr nur reine zeitlose Werte in seinem Schaffen
zu verwirklichen, da blieb das Lob der Zeit-
genossen aus. Es war nicht, daß er „zu modern"
für seine Zeit war. Er war über „modern"
und „unmodern" hinausgeschritten in jene
Region der von der Zeit unabhängigen Werte
hinein. — Und das Moderne heute! Wir müssen
uns darüber klar werden, daß das, was wir als
„modern" rühmen, vielleicht gar nicht jene
Werte verkörpert, die ein Jahrhundert nach uns
als groß beurteilen wird. Das Kriterium der
Modernität ist abhängig von der erfüllten Zeit.
Unbewußt kommt es uns immer als das erste.
Und wo sich diesem Zeitwert schon der zeitlose
hinzugefügt, — glückliche Moderne, die solches
von sich rühmen darf! — da ist der „Kairos"
erfüllt. Aber nur wenige Mitlebende begreifen
ihn. Da aber beginnt die Kunst . . . dr. o. s.
 
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