arch. fritz gross—wien
»stuhl und sessel«
NATURALISMUS UND REALISMUS
Allmählich scheint ja nun doch die Einsicht
J~\ durchzudringen, daß man es bei der jüng-
sten Kunst mit einem ausgesprochenen Realis-
mus zu tun hat, der sich aus dem Idealismus
der vergangenen Jahrzehnte herausentwickelt
hat, diesem also nicht polar, sondern evolutionär
gegenübersteht! Und da mag es am Platze sein,
sich den Begriff des „Realismus" einmal präzis
zu klären. Denn das tut not. Üblicherweise
wird dieser Begriff nämlich immer wacker ver-
wechselt mit einem andern, mit „Naturalismus",
ja es ist in der Begriffs- Ahnungslosigkeit so weit
gekommen, daß „Realismus" und „Naturalis-
mus" oftmals als synonym genommen werden.
Das hat im Gefolge, daß man die jüngste Kunst
z. B. als „Naturalismus" ausgibt und so also zu
der sehr falschen Perspektive eines „heute
wie der auferstehenden Impressionismus" ge-
langt, der fraglos höchster Naturalismus war.
— Es ist dies aber eine Verwechslung, die den
Sinn dieser jüngsten Kunst verdunkelt, und
denen Recht gibt, die da sagen, man suche
eben nach mißglückten Versuchen wieder zum
guten Alten zurück.
Was ist Naturalismus, was ist Realis-
mus? Was liegt jenem, was diesem zugrunde?
Dem Naturalismus liegt immer ein Natur-
begriff zugrunde, eine ganz bestimmte Ein-
stellung zu dem, was sich einer Zeit zu der Vor-
stellung „Natur" verdichtet hat, samt den da-
raus entspringenden Kunstanschauungen und
Formprinzipien. Das 19. Jahrhundert war eine
Blütezeit des Naturalismus, mußte es sein, denn
es hatte ja gerade das „Naturgefühl" zur herr-
schenden Lebensmacht, die die Kunst speiste,
ausgebildet. — Der Einstellung des „Realis-
mus" liegt der Begriff einer Realität zugrunde,
eines Wirklichen im Gegensatz zum Scheinen-
den, die Vorstellung eines unumstößlich Bin-
denden, das hinter den Naturbegriff ebenso zu-
rückreicht, wie es sich vor idealisierenden Ab-
straktionen und Verallgemeinerungen hütet.
Mit dem Realismus verbindet sich also stets
etwas Aktives, während allem Naturalismus ein
Passives anhaftet. Beim Realismus ein Ergrün-
den, Bilden, Schaffen, — beim Naturalismus
ein Nehmen, Abbilden, Anwenden. Daß der
Realismus eher mit dem Idealismus als mit
dem Naturalismus eine Bindung eingehen kann,
ist nach dieser Definition deutlich. Man braucht
nicht bis auf den mittelalterlichen Realismus
zurückzugreifen, um das zu erhärten. Es ge-
nügt, sich klarzumachen, was sich aus dem
„Idealismus" der sogenannten „expressionisti-
schen" Kunst entwickelt hat, notwendig ent-
wickeln mußte, nicht als ein Umschlag, als eine
Reaktion oder dergleichen, sondern als notwen-
dige Fortsetzung in die allen verbindliche „Wirk-
lichkeit" hinein. Eben der „Realismus" unserer
heutigen Kunst....... dr. oscar schürer.
»stuhl und sessel«
NATURALISMUS UND REALISMUS
Allmählich scheint ja nun doch die Einsicht
J~\ durchzudringen, daß man es bei der jüng-
sten Kunst mit einem ausgesprochenen Realis-
mus zu tun hat, der sich aus dem Idealismus
der vergangenen Jahrzehnte herausentwickelt
hat, diesem also nicht polar, sondern evolutionär
gegenübersteht! Und da mag es am Platze sein,
sich den Begriff des „Realismus" einmal präzis
zu klären. Denn das tut not. Üblicherweise
wird dieser Begriff nämlich immer wacker ver-
wechselt mit einem andern, mit „Naturalismus",
ja es ist in der Begriffs- Ahnungslosigkeit so weit
gekommen, daß „Realismus" und „Naturalis-
mus" oftmals als synonym genommen werden.
Das hat im Gefolge, daß man die jüngste Kunst
z. B. als „Naturalismus" ausgibt und so also zu
der sehr falschen Perspektive eines „heute
wie der auferstehenden Impressionismus" ge-
langt, der fraglos höchster Naturalismus war.
— Es ist dies aber eine Verwechslung, die den
Sinn dieser jüngsten Kunst verdunkelt, und
denen Recht gibt, die da sagen, man suche
eben nach mißglückten Versuchen wieder zum
guten Alten zurück.
Was ist Naturalismus, was ist Realis-
mus? Was liegt jenem, was diesem zugrunde?
Dem Naturalismus liegt immer ein Natur-
begriff zugrunde, eine ganz bestimmte Ein-
stellung zu dem, was sich einer Zeit zu der Vor-
stellung „Natur" verdichtet hat, samt den da-
raus entspringenden Kunstanschauungen und
Formprinzipien. Das 19. Jahrhundert war eine
Blütezeit des Naturalismus, mußte es sein, denn
es hatte ja gerade das „Naturgefühl" zur herr-
schenden Lebensmacht, die die Kunst speiste,
ausgebildet. — Der Einstellung des „Realis-
mus" liegt der Begriff einer Realität zugrunde,
eines Wirklichen im Gegensatz zum Scheinen-
den, die Vorstellung eines unumstößlich Bin-
denden, das hinter den Naturbegriff ebenso zu-
rückreicht, wie es sich vor idealisierenden Ab-
straktionen und Verallgemeinerungen hütet.
Mit dem Realismus verbindet sich also stets
etwas Aktives, während allem Naturalismus ein
Passives anhaftet. Beim Realismus ein Ergrün-
den, Bilden, Schaffen, — beim Naturalismus
ein Nehmen, Abbilden, Anwenden. Daß der
Realismus eher mit dem Idealismus als mit
dem Naturalismus eine Bindung eingehen kann,
ist nach dieser Definition deutlich. Man braucht
nicht bis auf den mittelalterlichen Realismus
zurückzugreifen, um das zu erhärten. Es ge-
nügt, sich klarzumachen, was sich aus dem
„Idealismus" der sogenannten „expressionisti-
schen" Kunst entwickelt hat, notwendig ent-
wickeln mußte, nicht als ein Umschlag, als eine
Reaktion oder dergleichen, sondern als notwen-
dige Fortsetzung in die allen verbindliche „Wirk-
lichkeit" hinein. Eben der „Realismus" unserer
heutigen Kunst....... dr. oscar schürer.