Münchener Kunstausstellung Glaspalast ig2j
in dem sich Stuck, Diez, Jank, Habermann
zusammenfinden. Hier geschieht nichts mehr;
es herrscht durchaus retrospektive und ge-
nügsame Stimmung. Stehen geblieben ist auch
Fritz Erler; wohingegen sein ehemaliger
Schollengenosse Leo Putz eine erfreuliche Auf-
raffung, ein erneuertes Streben zeigt. Man
begrüßt mit Achtung einen Zügel, einen
Schräder-Velgen, einen Geigenberger.
In einer feinen stillen Atmosphäre gedämpfter
Schönheit stehen Lothar Bechsteins Akte.
Schwung und Frische hat ein Damenbildnis von
Mayrshofer. Groeber, Hommel — das ist
kaum mehr als anspruchvolles Feuilleton. Im
übrigen treten noch Essig, Keller-Kühne
(„Kitzen"), Baum, Blum, Freytag hervor;
auch Florian Bosch, dessen schöne Luft-
schilderung gefällt. Es scheinen da einige neue
Namen heraufzukommen; das ist gut, denn die
Frage des Nachwuchses steht für die alte Se-
cession recht bedrohlich. Es ist eine schwer
erklärbare, aber stets sich wiederholende Er-
scheinung, daß die geschöpfliche Energie, die
in einer Künstlergruppe lebt, immer nur eine
begrenzte Zeit vorhält. Zwar scheinen solche
Gruppen bloß Anhäufungen von Einzelmenschen
zu sein, und nichts scheint einfacher, als sie
durch Hereinnahme neuer Kräfte zu verjüngen.
Aber stets erweist sich, daß diese Anschauung
nicht stimmt. Eine Künstlergruppe ist eben
doch echtes Geschöpf, echter Organismus,
der den Gesetzen des Werdens, des Alterns
unterworfen ist. Das zeigt sich besonders darin,
daß er von einer gewissen Zeit an die Kraft
verliert, neue Begabungen, in denen die neue
Stunde wahrhaft lebendig ist, an sich zu ziehen.
Ähnliches wie für die Gruppen gilt auch für die
Richtungen, für die Schulen und die „Beweg-
ungen". Es ist mehr an ihnen als ein augen-
blickliches Meinen. Es sind geschöpfliche Kräfte
in ihnen, und sie haben ein geschöpfliches
Schicksal...............Wilhelm michel.
Zu den fünf dekorativ ausgestalteten Räumen
der Münchener Künstlergenossenschaft sei noch
eine Bemerkung gestattet. Aus der Anordnung
wie aus dem Inhalt dieser Räume geht klar her-
vor, daß sie dekorative Kunstwerke, die auf
eine bestimmte Anwendung, auf einen bestimm-
ten Architektur-Zusammenhang hinzielen, in
eben dieser „Anwendung" vorführen wollen.
Wandgemälde werden an der Wand, Plastiken
in den Nischen gezeigt, für die sie bestimmt
sind. Für den Kolbe-Saal kommt Ähnliches in
Betracht: ohne Zweifel kommen diese Köpfe
und Figuren in der architektonischen Umrah-
mung, die ihnen Kreis gegeben hat, besser zur
Geltung, als ohne eine solche. Alexander koch.
DIE KUNST UND DIE GEGENWART
Bei der Übernahme des Rektorats der Tech-
nischen Hochschule Stuttgart hielt Prof. K.
Schmoll von Eisenwerth eine bemerkenswerte
Rede über die Stellung der Kunst im geistigen
Leben unserer technischen Zeit. Aus dem bei
A. Bonz' Erben Stuttgart erschienenen Sonder-
druck geben wir die Schlußsätze wieder.
„Den heutigen Rationalismus direkt zu be-
kämpfen dürfte erfolglos sein. Und zwecklos
dürfte es sein, die Welle veräußerlichter Empfin-
dung niederdrücken zu wollen; sie zu lenken
und zu veredeln, scheint mir die wichtige Auf-
gabe der Erziehung.
Alles Ernsthafte, was nicht direkt oder auf
Umwegen praktischen Zwecken zu dienen ver-
mag, alles, was darüber hinaus nicht einer ver-
gnüglichen Zerstreuung dient, ist im heutigen
allgemeinen Leben mehr geduldet als gewünscht
und gepflegt. Die Kunst ist ihrem Wesen nach
Zwecke — los, aber sie ist in höherem Sinne
nicht zwecklos. Sie ist Gefühlsausdruck, wie
die Wissenschaft Verstandesausdruck ist. Eines
ist die Ergänzung des anderen. Wir stehen im
Zeichen wirtschaftlicher Nöte; aber wir stehen
auch im Zeichen geistig-kultureller Nöte. Aus
diesen kann nur die Zusammenfassung aller
Kräfte hinausführen.
Die Stellung der Kunst im heutigen Leben
zeigt uns hier eine bedenkliche Gleichgewichts-
störung auf. Unter ihr leidet die Kunst weit
mehr als unter den greifbaren und darum irr-
tümlich allein dafür verantwortlich gemachten
wirtschaftlichen Störungen.
Aber darunter leidet nicht nur die Kunst,
sondern mit ihr leidet darunter das gesamte
kulturelle Leben, einerlei ob diese innere Quelle
der Störung als solche bewußt empfunden wird
oder nicht. Die Erfüllung unseres Wunsches,
daß die heute im weiten Umfang verschütteten
Kräfte wieder anerkannt und entwickelt werden
möchten, könnte den Menschen wieder den ver-
lorenen Sinn für das Wesentliche geben, ihn
von dem modernen Aberglauben an die Zwecke,
die Wirklichkeit und an die Materie befreien.
Sie könnte die Kunst aus ihrer vereinzelten und
gegensätzlichen Stellung in die Mitte des Lebens
rücken und heilbringend wirken für unser Volk
und unsere Zeit." . . . k. schmoll v. eisenwerth.
in dem sich Stuck, Diez, Jank, Habermann
zusammenfinden. Hier geschieht nichts mehr;
es herrscht durchaus retrospektive und ge-
nügsame Stimmung. Stehen geblieben ist auch
Fritz Erler; wohingegen sein ehemaliger
Schollengenosse Leo Putz eine erfreuliche Auf-
raffung, ein erneuertes Streben zeigt. Man
begrüßt mit Achtung einen Zügel, einen
Schräder-Velgen, einen Geigenberger.
In einer feinen stillen Atmosphäre gedämpfter
Schönheit stehen Lothar Bechsteins Akte.
Schwung und Frische hat ein Damenbildnis von
Mayrshofer. Groeber, Hommel — das ist
kaum mehr als anspruchvolles Feuilleton. Im
übrigen treten noch Essig, Keller-Kühne
(„Kitzen"), Baum, Blum, Freytag hervor;
auch Florian Bosch, dessen schöne Luft-
schilderung gefällt. Es scheinen da einige neue
Namen heraufzukommen; das ist gut, denn die
Frage des Nachwuchses steht für die alte Se-
cession recht bedrohlich. Es ist eine schwer
erklärbare, aber stets sich wiederholende Er-
scheinung, daß die geschöpfliche Energie, die
in einer Künstlergruppe lebt, immer nur eine
begrenzte Zeit vorhält. Zwar scheinen solche
Gruppen bloß Anhäufungen von Einzelmenschen
zu sein, und nichts scheint einfacher, als sie
durch Hereinnahme neuer Kräfte zu verjüngen.
Aber stets erweist sich, daß diese Anschauung
nicht stimmt. Eine Künstlergruppe ist eben
doch echtes Geschöpf, echter Organismus,
der den Gesetzen des Werdens, des Alterns
unterworfen ist. Das zeigt sich besonders darin,
daß er von einer gewissen Zeit an die Kraft
verliert, neue Begabungen, in denen die neue
Stunde wahrhaft lebendig ist, an sich zu ziehen.
Ähnliches wie für die Gruppen gilt auch für die
Richtungen, für die Schulen und die „Beweg-
ungen". Es ist mehr an ihnen als ein augen-
blickliches Meinen. Es sind geschöpfliche Kräfte
in ihnen, und sie haben ein geschöpfliches
Schicksal...............Wilhelm michel.
Zu den fünf dekorativ ausgestalteten Räumen
der Münchener Künstlergenossenschaft sei noch
eine Bemerkung gestattet. Aus der Anordnung
wie aus dem Inhalt dieser Räume geht klar her-
vor, daß sie dekorative Kunstwerke, die auf
eine bestimmte Anwendung, auf einen bestimm-
ten Architektur-Zusammenhang hinzielen, in
eben dieser „Anwendung" vorführen wollen.
Wandgemälde werden an der Wand, Plastiken
in den Nischen gezeigt, für die sie bestimmt
sind. Für den Kolbe-Saal kommt Ähnliches in
Betracht: ohne Zweifel kommen diese Köpfe
und Figuren in der architektonischen Umrah-
mung, die ihnen Kreis gegeben hat, besser zur
Geltung, als ohne eine solche. Alexander koch.
DIE KUNST UND DIE GEGENWART
Bei der Übernahme des Rektorats der Tech-
nischen Hochschule Stuttgart hielt Prof. K.
Schmoll von Eisenwerth eine bemerkenswerte
Rede über die Stellung der Kunst im geistigen
Leben unserer technischen Zeit. Aus dem bei
A. Bonz' Erben Stuttgart erschienenen Sonder-
druck geben wir die Schlußsätze wieder.
„Den heutigen Rationalismus direkt zu be-
kämpfen dürfte erfolglos sein. Und zwecklos
dürfte es sein, die Welle veräußerlichter Empfin-
dung niederdrücken zu wollen; sie zu lenken
und zu veredeln, scheint mir die wichtige Auf-
gabe der Erziehung.
Alles Ernsthafte, was nicht direkt oder auf
Umwegen praktischen Zwecken zu dienen ver-
mag, alles, was darüber hinaus nicht einer ver-
gnüglichen Zerstreuung dient, ist im heutigen
allgemeinen Leben mehr geduldet als gewünscht
und gepflegt. Die Kunst ist ihrem Wesen nach
Zwecke — los, aber sie ist in höherem Sinne
nicht zwecklos. Sie ist Gefühlsausdruck, wie
die Wissenschaft Verstandesausdruck ist. Eines
ist die Ergänzung des anderen. Wir stehen im
Zeichen wirtschaftlicher Nöte; aber wir stehen
auch im Zeichen geistig-kultureller Nöte. Aus
diesen kann nur die Zusammenfassung aller
Kräfte hinausführen.
Die Stellung der Kunst im heutigen Leben
zeigt uns hier eine bedenkliche Gleichgewichts-
störung auf. Unter ihr leidet die Kunst weit
mehr als unter den greifbaren und darum irr-
tümlich allein dafür verantwortlich gemachten
wirtschaftlichen Störungen.
Aber darunter leidet nicht nur die Kunst,
sondern mit ihr leidet darunter das gesamte
kulturelle Leben, einerlei ob diese innere Quelle
der Störung als solche bewußt empfunden wird
oder nicht. Die Erfüllung unseres Wunsches,
daß die heute im weiten Umfang verschütteten
Kräfte wieder anerkannt und entwickelt werden
möchten, könnte den Menschen wieder den ver-
lorenen Sinn für das Wesentliche geben, ihn
von dem modernen Aberglauben an die Zwecke,
die Wirklichkeit und an die Materie befreien.
Sie könnte die Kunst aus ihrer vereinzelten und
gegensätzlichen Stellung in die Mitte des Lebens
rücken und heilbringend wirken für unser Volk
und unsere Zeit." . . . k. schmoll v. eisenwerth.