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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Fechter, Paul: Zu neuen Arbeiten Max Pechsteins
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0014

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Zii neuen Arbeiten Max Pechsteins

Rahmen abstrakt - theoretischer Art hineinzu-
spannen war.

Heute sind diese Zeiten vorüber. Der Ex-
pressionismus ist in die erste Phase des Histo-
rischwerdens eingetreten, und die Folge ist, daß
gerade Max Pechstein auf einmal wieder in der
vordersten Reihe einer wirklich lebendigen Ma-
lerei steht. Es ist sehr eigen wie schon dieser
Abstand weniger Jahre vollkommen genügt hat,
das Gleichgewicht zwischen ihm und seinen von
der Literatur bevorzugten Zeitgenossen zu seinen
Gunsten zu verschieben. Die unmittelbare
Lebendigkeit seines Wesens, sein Arbeiten rein
aus der vitalen Kraft und Freude des Daseins
heraus hat sich stärker erwiesen als alle Theorie,
gewollte Dämonie, prinzipielle Geistigkeit, stär-
ker sogar als die neue Sachlichkeit.

Das Schöne an Pechstein ist, daß er im
Grunde zeit seines Lebens nur den Weg ge-
gangen ist, den er kraft seiner Natur gehenmußte.
Nach Corinth war keiner so sehr Maler aus dem
Grunde wie er, ein Mensch, dem Malen wirk-
lich nur ein anderes Wort für Fühlen, für Leben
war. Er theoretisierte nicht, er konstruierte
nicht: aus seiner ungebrochenen Kraft heraus

schleuderte er seine Bilder in die Welt; die Arbeit
und das Glück des Arbeitens, der Rausch des
Malens war ihm zuweilen wichtiger als das Werk.
Mit einer schier unerschöpflichen Kraft warf er
in sommerlichen Wochen Bild um Bild aus sich
heraus, Gutes und weniger Gutes, wie es die
Gunst der Stunde gab. Er lebte und wirkte
noch aus der vollkommenen Einheit, ohne den
Bruch der Selbstbetrachtung, ohne ein anderes
Ziel, als das, im Gestalten schöner Dinge sein
handwerkliches Daseinsglück zu betätigen.

So war der junge Pechstein. Heute, da er
sich auch bereits langsam den Fünfzigern nähert,
ist er im Grunde noch genau der selbe — nur
daß diese treibende, drängende, ungebrochene
Kraft eines Menschen aus frühen Generationen
langsam anfängt, ruhiger, klarer, reifer zu wer-
den. Die Energie des Ergreifens von Welt und
Menschen, von allem, was Leben heißt, ist die
gleiche geblieben; nur das Wilde, das Aus-
brechende, das Undisziplinierte, das er früher
zuweilen besaß, ist langsam in die Tiefe abge-
sunken, hat einer sicheren, seiner selbst sicheren,
ruhigen Klarheit, einer Vereinfachung des Sich-
auswirkens Platz gemacht. Pechstein hat sich

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