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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Kuhn, Alfred: Ernesto de Fiori
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0045

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ERNESTO DE FlORI—BERLIN

»SKIZZE FÜR EIN KRIEGERDENKMAL«

ERNESTO DE FIORI

VON DR. ALERED KUHN

Wie fast jeder Arzt ein besonderer Lieb-
haber „schöner Fälle" ist, an denen ein
Krankheitsbild schulmäßig mit allen Einzelheiten
und Komplikationen nachzuweisen ist, sodaß er
es sich und allenfalls auch seinen Schülern als
Musterbeispiel demonstrieren kann, so liebt
auch der Kunsthistoriker Künstler und Kunst-
werke, an denen sich eine durch Erfahrung
erlangte Theorie musterhaft durchführen läßt.
Man braucht nicht Wölfflin-Schüler gewesen zu
sein, um sich zu freuen, wie an Raffaels „Schule
von Athen" das Wesen der Hochrenaissance
gezeigt werden kann und an Berninis heiliger
Therese jenes des Barock. Für den großen
plastischen Stil werden immer die Ägypter die
Beispiele liefern und für die letzte Steigerung
des malerisch-illusionistischen Rodin.

So ist man denn auch mit der Zeit darauf
gekommen, den Deutschen die Begabung für
Plastik abzusprechen. Man hat nachgewiesen,
daß es eigentlich in der gesamten Geschichte
der deutschen Skulptur verschwindend wenige
große Künstler mit dem Gefühl für das Drei-
dimensionale, für Rundheit, für Statik, für
Dauer, für Tastbarkeit gegeben hat. Man konnte
darauf hinweisen, daß schon die ganze Pro-
duktion des Schnitzaltars malerisch orientiert
war, d. h. von der Fläche ausging, und daß selbst
in Zeiten der deutschen Renaissance das Gefühl

für die Überspinnung der Fläche mit Ornament
überwog und niemals das Bedürfnis auch nur
annähernd so stark geworden ist wie in Italien,
die Figur als etwas in und für sich Seiendes klar
gelöst vom Hintergrunde in ihrer vollen Drei-
dimensionalität zu erfassen. Es war besonders
interessant, aufzeigen zu können, daß selbst
der große Reformator der Plastik, Adolf von
Hildebrand, der nach der malerischen Verwirr-
ung dieser Kunst sie zum Gesetz zurückführen
wollte, im Grunde auch wieder durch sein ma-
lerisches Gefühl behindert wurde, indem er von
dem „Quälenden des Kubischen" sprechend,
verlangte, die Figur müsse ihr dreidimensionales
Wesen verlieren, müsse in der Fläche entwickelt
werden, um künstlerisch genossen werden zu
können. Man hat gegen diese Auffassung vom
unplastischen Nordländer und vom plastischen
Südländer (Mediterranen) nichts einwenden
können, und so ist diese Anschauung mit der
Zeit Allgemeingut geworden.

Nun gleicht es fast einem Experiment, fest-
zustellen, wie sich ein Plastiker künstlerisch
benimmt, der von Vaterseite ein Italiener, also
ein Abkömmling einer eminent plastischen Na-
tion, und von Mutterseite ein Österreicher, also
einKind jenesLandes, das wohl mit das schönste
Barock hervorgebracht hat, das es gibt. Der
Künstler hat durchaus unplastisch begonnen.
 
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