Originalität
sie mag bisweilen leichtbeschwingt
sein, aber sie ist letzten Endes de-
struktiv, indem sie — ohne zu
wissen, worum es geht, — vor-
zeitig neue Besonderheiten ver-
suchen will, wo eine wesentliche
Grundlage noch nicht ganz ge-
schaffen ist; diese muß uns wichtiger
sein; es fehlt noch an Niveau, im
Sinne einer hochwertigen Gesamt-
struktur gemeinsameren und rei-
neren Formempfindens und Form-
willens. Es liegt uns sehr viel an
der Erzielung eines solchen Wert-
bewußtseins; dazu aber ist Arbeit
notwendig, deren Ernst der „Origi-
nalität" des Augenblickshaften weit
abgewandt ist; denn es soll sich um
Dauerndes, zum mindesten um
eine Basis handeln; es bedeutet
also nicht Streben nach Uniformie-
rung, wenn wir für die Hinwendung
zu einem Gemeinsamen und Gan-
zen sprechen. Wahrhaft produktive
Gesinnung müßte auf die momen-
tanen Effekt-Erfolge verzichten, —
aber dafür trüge sie Wert und Be-
friedigung in sich selbst, denn sie
wäre zeitgemäß. — Und das ist
eigentlich mehr als „originell", a.w.
FRITZ GROSS. »LICHTTRÄGER IM ARBEITS-ZIMMER«
Wertung ausdrückte. Man verlangte „Origi-
nalität", woran frühere Zeiten gar nicht gedacht
hatten. — Sobald aber ein Verlangen nach den
Wirkungen des Besonderen als allgemeine Hal-
tung erkennbar wird, ist es ein Zeichen dafür, daß
der Sinn für das Große und Eigentliche getrübt
ist; es ist Resonanz eines Zeitgefühls; kein Wunder
also, daß der Künstler in solcher Zeit dement-
sprechend bemüht ist „originell" zu sein. Da aber
mit dem Sinn für das Eigentliche auch der Blick
auf ein Ganzes schwindet, bleibt in Erfindung
und Aufnahme das „Originelle" auf das Einzelne
beschränkt; die „Nuance" wird das ausschlag-
gebende Moment in einem Erlebnis, das ganz auf
Sensationen gerichtet ist; daß solche Zeiten voller
Geschmack nur nach erlesensten Reizen ver-
langen, hindert nicht, daß sie seelisch verarmen.
Wir haben, im Grunde genommen, mit dem Im-
pressionismus die letzte dieser Perioden hinter uns
gelassen. Wir haben sie im Ethischen längst über-
wunden. Aber es ist, als habe sich ein Hang zu
Äußerlichkeiten herübergerettet, der, nur mit
neueren Mitteln, nach genau dergleichen „Origina-
lität" hinstrebt. Diese müssen wir ablehnen; denn
»ELEKTR. WAND ARM IM EMI'FANGS-ZIMMER«
sie mag bisweilen leichtbeschwingt
sein, aber sie ist letzten Endes de-
struktiv, indem sie — ohne zu
wissen, worum es geht, — vor-
zeitig neue Besonderheiten ver-
suchen will, wo eine wesentliche
Grundlage noch nicht ganz ge-
schaffen ist; diese muß uns wichtiger
sein; es fehlt noch an Niveau, im
Sinne einer hochwertigen Gesamt-
struktur gemeinsameren und rei-
neren Formempfindens und Form-
willens. Es liegt uns sehr viel an
der Erzielung eines solchen Wert-
bewußtseins; dazu aber ist Arbeit
notwendig, deren Ernst der „Origi-
nalität" des Augenblickshaften weit
abgewandt ist; denn es soll sich um
Dauerndes, zum mindesten um
eine Basis handeln; es bedeutet
also nicht Streben nach Uniformie-
rung, wenn wir für die Hinwendung
zu einem Gemeinsamen und Gan-
zen sprechen. Wahrhaft produktive
Gesinnung müßte auf die momen-
tanen Effekt-Erfolge verzichten, —
aber dafür trüge sie Wert und Be-
friedigung in sich selbst, denn sie
wäre zeitgemäß. — Und das ist
eigentlich mehr als „originell", a.w.
FRITZ GROSS. »LICHTTRÄGER IM ARBEITS-ZIMMER«
Wertung ausdrückte. Man verlangte „Origi-
nalität", woran frühere Zeiten gar nicht gedacht
hatten. — Sobald aber ein Verlangen nach den
Wirkungen des Besonderen als allgemeine Hal-
tung erkennbar wird, ist es ein Zeichen dafür, daß
der Sinn für das Große und Eigentliche getrübt
ist; es ist Resonanz eines Zeitgefühls; kein Wunder
also, daß der Künstler in solcher Zeit dement-
sprechend bemüht ist „originell" zu sein. Da aber
mit dem Sinn für das Eigentliche auch der Blick
auf ein Ganzes schwindet, bleibt in Erfindung
und Aufnahme das „Originelle" auf das Einzelne
beschränkt; die „Nuance" wird das ausschlag-
gebende Moment in einem Erlebnis, das ganz auf
Sensationen gerichtet ist; daß solche Zeiten voller
Geschmack nur nach erlesensten Reizen ver-
langen, hindert nicht, daß sie seelisch verarmen.
Wir haben, im Grunde genommen, mit dem Im-
pressionismus die letzte dieser Perioden hinter uns
gelassen. Wir haben sie im Ethischen längst über-
wunden. Aber es ist, als habe sich ein Hang zu
Äußerlichkeiten herübergerettet, der, nur mit
neueren Mitteln, nach genau dergleichen „Origina-
lität" hinstrebt. Diese müssen wir ablehnen; denn
»ELEKTR. WAND ARM IM EMI'FANGS-ZIMMER«