KARL
HOFER
»SELBST-
BILDNIS«
19 2 0
NEUE GEMÄLDE VON KARL HOFER
Ich erinnere mich an eine frühe Kollektiv-Aus-
stellung Karl Hofers, in dem damaligen klei-
nen Kunstsalon Zimmermann in München; es
mögen bald an fünfundzwanzig Jahre her sein.
Kaum ein einziges Werk davon ist mir in deut-
licher Erinnerung geblieben; aber der Geist des
Mannes war schon da und prägte sich ein. Die
Bilder waren aus einer tiefen Einsamkeit, aus
einer Weltentlegenheit entstanden; Gewächse
aus einem fernen Garten hinter hohen Mauern;
eine fast südliche Fremdartigkeit, in der es
aber doch einen vertrauten nordischen Ein-
schlag gab. Man sah schon damals, daß dieser
Künstler auf eine stille, große Art der Welt-
freundschaft und Weltinnigkeit angelegt war.
Aber seine Lage war damals noch ein Abseits;
es kommt ja so vieles darauf an, daß einer
nicht zu frühe seinen Frieden mit der Welt
macht; und dieser Friedensschluß darf nie be-
deuten, daß Einer sein Abseits mutwillig ver-
schleudert und sich von der großen Zahl fressen
läßt. Es handelt sich darum, die jugendliche
Fremdheit nicht etwa zu verraten, sondern sie
allmählich immer voller in die seiende Welt ein-
zuarbeiten. Und das hat Karl Hofer getan.
Es ist ein wunderbares Erlebnis, zu verfolgen,
wie sich Hofers Weltferne von Jahr zu Jahr
mehr mit „Welt" durchsättigt hat, wie sie immer
mehr Realität an sich zog und einen immer
dichteren Körper gewann; ohne jeden Spott,
ohne Flucht und Ironie. Bei ihm, wie bei
vielen großen Künstlern, kann man noch sehen,
daß es eigentlich das heilige weltfeindliche
Element in uns ist, das „Welt" um sich kristal-
lisiert, bis schließlich das Geheimnis still und
lächelnd im Garten dieser Erde wohnt, mit den
Wirklichkeiten durch Liebe verbunden, gerade
weil es ursprünglich gespannt zu den Wirklich-
XXX. Juni 19S7. 1
HOFER
»SELBST-
BILDNIS«
19 2 0
NEUE GEMÄLDE VON KARL HOFER
Ich erinnere mich an eine frühe Kollektiv-Aus-
stellung Karl Hofers, in dem damaligen klei-
nen Kunstsalon Zimmermann in München; es
mögen bald an fünfundzwanzig Jahre her sein.
Kaum ein einziges Werk davon ist mir in deut-
licher Erinnerung geblieben; aber der Geist des
Mannes war schon da und prägte sich ein. Die
Bilder waren aus einer tiefen Einsamkeit, aus
einer Weltentlegenheit entstanden; Gewächse
aus einem fernen Garten hinter hohen Mauern;
eine fast südliche Fremdartigkeit, in der es
aber doch einen vertrauten nordischen Ein-
schlag gab. Man sah schon damals, daß dieser
Künstler auf eine stille, große Art der Welt-
freundschaft und Weltinnigkeit angelegt war.
Aber seine Lage war damals noch ein Abseits;
es kommt ja so vieles darauf an, daß einer
nicht zu frühe seinen Frieden mit der Welt
macht; und dieser Friedensschluß darf nie be-
deuten, daß Einer sein Abseits mutwillig ver-
schleudert und sich von der großen Zahl fressen
läßt. Es handelt sich darum, die jugendliche
Fremdheit nicht etwa zu verraten, sondern sie
allmählich immer voller in die seiende Welt ein-
zuarbeiten. Und das hat Karl Hofer getan.
Es ist ein wunderbares Erlebnis, zu verfolgen,
wie sich Hofers Weltferne von Jahr zu Jahr
mehr mit „Welt" durchsättigt hat, wie sie immer
mehr Realität an sich zog und einen immer
dichteren Körper gewann; ohne jeden Spott,
ohne Flucht und Ironie. Bei ihm, wie bei
vielen großen Künstlern, kann man noch sehen,
daß es eigentlich das heilige weltfeindliche
Element in uns ist, das „Welt" um sich kristal-
lisiert, bis schließlich das Geheimnis still und
lächelnd im Garten dieser Erde wohnt, mit den
Wirklichkeiten durch Liebe verbunden, gerade
weil es ursprünglich gespannt zu den Wirklich-
XXX. Juni 19S7. 1